Ausgabe 06/2009-07
Für wie blöd halten die uns?
Für wie blöd halten die uns?
Statt radikal umzukehren, verspricht die Kanzlerin üppige Steuergeschenke. Wenn die Lage nicht so ernst wäre, würde man müde lächelnd abwinken, aber die Lage ist ernst und die Einbrüche am Arbeitsmarkt werden immer tiefer
von Maria Kniesburges
Es geht Schlag auf Schlag in diesen Tagen: Einbrüche über Einbrüche in der Wirtschaft und auf dem Arbeitsmarkt. Nicht hunderttausende, sondern mittlerweile Millionen Menschen in diesem Land haben Sorge um ihren Arbeitsplatz, Angst vor dem Absturz in Hartz IV. Die weltweite Wirtschaftskrise, ausgelöst durch skrupellose Finanzmarktstrategen auf der Jagd nach fantastischen Renditen, trifft wie immer "die da unten". Und was das politische Spitzenpersonal in diesen Tagen vorführt, trägt keineswegs zur Beruhigung bei. Im Gegenteil.
Noch kurz vor der Sommerpause landete Bundeskanzlerin Angela Merkel, CDU, ihren großen Coup - und verspricht dem Volk der Wählerinnen und Wähler Steuererleichterungen im Umfang von 15 Milliarden Euro in den nächsten vier Jahren. Das haben CDU und CSU in ihr Programm zur Bundestagswahl in diesem Jahr geschrieben. Mit Verlaub: Für wie blöd hält man das gemeine Wahlvolk in diesen Kreisen eigentlich? Wäre die Lage nicht so ernst, man würde müde lächelnd abwinken und leise "Wahlkampf" murmeln. Aber das drohende Absturzszenario wird immer konkreter.
Wolkige Versprechungen
Statt gegenzusteuern und eine wirksame und langfristig angelegte Konjunkturpolitik zu betreiben, also die öffentlichen Investitionen zu erhöhen und Arbeitsplätze zu sichern, setzen die Verfechter der neoliberalen Chaospolitik auf wolkige Steuerversprechungen, flankiert von der so genannten Schuldenbremse. Die hat die große Koalition von CDU/CSU und SPD sozusagen als ihr großes Vorzeigeprojekt inmitten der Krise einmütig durch Bundestag und Bundesrat gepeitscht. Motto: Seht her, wir verteilen nicht nur Milliarden an die Pleite-Banken, wir denken auch ans Sparen. Selbst eine Änderung des Grundgesetzes musste her. Darin ist nun festgeschrieben, dass die Länder ab 2020 gar keine Kredite mehr aufnehmen dürfen und der Bund ab 2016 nur noch einen lächerlichen Bruchteil der bisherigen.
Was da als solide Zukunftspolitik in sorgender Verantwortung für kommende Generationen verkauft wird, ist nichts anderes als ein Würgeband für Kommunen, Länder und den Bund - wer auch immer in Zukunft regieren wird. Und nicht erst 2020, weit früher beginnt das Band sich zuzuziehen. Denn unter der realen, im Grundgesetz verankerten Bedrohung durch den Null-Kredit wird über jede noch so nötige und sinnvolle öffentliche Ausgabe schon alsbald nur noch sehr zögerlich entschieden werden. Erhalt der Infrastruktur? Angemessene Investitionen in soziale Einrichtungen und Dienste? Ob das denn sein muss, wird es künftig weitaus öfter heißen, als es ohnehin längst der Fall ist. Ein Desaster, das bald auch öffentlich zu besichtigen sein wird: noch mehr kaputte Straßen, verrottende Schwimmbäder und was noch alles mehr.
Und während so sogar das Grundgesetz in seinem 60. Jahr mit einer bodenlos absurden Schuldenklausel geradezu beschädigt wird, geschieht in Punkto Bankenaufsicht und wirksamer Regulierung der gemeingefährlichen Finanzmarktgeschäfte nichts, was wirklich erwähnenswert wäre. Es fließen die Milliarden an die maroden Finanzinstitute, der Staat übernimmt milliardenschwere Garantien, aber die strikten Auflagen für die Banken, wie sie etwa der Bundesfinanzminister mit gar zornesgeschwollener Ader angekündigt hat, bleiben aus. Das Risiko trägt der Steuerzahler. Jüngstes Beispiel ist das im Juli noch beschlossene so genannte Bad-Bank-Gesetz. Danach dürfen die Banken nun all die Giftpapiere, die vom großen Zockerexzess übriggeblieben sind, in eine Beibank auslagern und so ihre Bilanzen aufpeppen. Eine Beschäftigungssicherung, wie sie die Gewerkschaft ver.di verlangt hat, ist damit nicht verbunden. Und auch dies Gesetz sieht vor: Das letzte Risiko trägt der Steuerzahler.
Wohin dies alles führen wird, wagt man sich derzeit kaum noch auszumalen. Und sicher ist: Wenn nicht sofort eine radikale Umkehr dieser Politik erfolgt, werden die Einbrüche noch schneller kommen und noch massiver sein. Die Vorschläge liegen längst auf dem Tisch. Schon vor Monaten hat ver.di ein Programm für den sozialökologischen Umbau vorgelegt, dessen Verwirklichung Arbeitsplätze sichern und schaffen würde. Ein Programm, das auch finanzierbar ist, auch das hat ver.di vorgerechnet. Finanzierbar mit einer Steuerpolitik, die von Vernunft und dem Gedanken an Gerechtigkeit geleitet ist. Aber diese Regierung hat eine andere Leitidee.