Ausgabe 06/2009-07
Geschenkt gibt's nichts
Von Heike Langenberg
Die Kandidaten winken mit Steuersenkungen. Woher das Geld kommen soll, welche öffentlichen Leistungen sie kürzen wollen und auf wessen Kosten das gehen soll, verraten sie nicht. Ein Kreuz – für die WählerWer zahlt schon gern Steuern? Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) scheinbar nicht. Und der FDP-Vorsitzende Guido Westerwelle offenbar auch nicht. Beide versprechen derzeit jedenfalls lauthals, dass sie und ihre Parteien die Steuern weiter senken wollen. Nun ja, es ist Wahlkampf, da gehört das Versprechen, die Steuern zu senken, zum Standardrepertoire vieler Politiker.
Doch was kann es für jeden Einzelnen, jede Einzelne bedeuten, wenn eine Partei wie die CDU ein Konzept umsetzt, mit dem sie insgesamt eine Entlastung von 15 Milliarden Euro verspricht? Mehr Netto vom Brutto, sagt die CDU. Also mehr Geld in der Tasche. Das hört sich erst einmal gut an. Aber wie das finanziert werden soll, sagt die CDU nicht. Eins jedenfalls steht fest: mit Geld, das dem Staat anderswo fehlen wird.
Woher das Geld kommt
Auf insgesamt 561 Milliarden Euro beliefen sich die Steuereinnahmen von Bund, Ländern und Gemeinden nach Angaben des Bundesfinanzministeriums im Jahr 2008. Der größte Teil davon, rund 176 Milliarden Euro, stammte aus der Mehrwertsteuer, die auf Produkte und Dienstleistungen erhoben wird. Knapp 142 Milliarden brachte die Lohnsteuer. Mit 41 Milliarden Euro liegen die Einnahmen aus der Gewerbesteuer auf dem dritten Platz. Grundsätzlich unterscheidet man direkte Steuern, zu denen die Lohn- und Einkommenssteuern gehören, und indirekte wie Verbrauchs- und Mehrwertsteuern. Erhoben werden sie von Bund, Ländern oder Gemeinden. Einige Steuern bleiben dort, wo sie erhoben werden, andere werden nach festgelegten Schlüsseln aufgeteilt. Von der Lohn- und Einkommenssteuer bleiben zum Beispiel jeweils 42,5 Prozent bei Bund und Ländern, über die verbleibenden 15 Prozent freut sich die jeweilige Gemeinde.
Öffentliche Aufgaben
Von diesem Geld finanzieren Bund, Länder und Gemeinden ihre Aufgaben. Investitionen in Straßen, Schulen und Kitas gehören ebenso dazu wie die in öffentliche Schwimmbäder und Theater. Bezahlt werden von den Steuern aber auch laufende Sozialleistungen oder die Polizei. Damit ermöglicht jede/r Steuerzahlende öffentliche Aufgaben, von denen alle profitieren. Ein solidarisches Prinzip. Sinken aber die Steuereinnahmen, fehlt das Geld dafür. Entweder können diese Leistungen dann nicht mehr angeboten werden, oder sie werden teurer. So kann es passieren, dass das, was nach der Senkung der Einkommenssteuer mehr vom Brutto bleiben soll, für höhere Gebühren oder Eintrittspreise ausgegeben werden muss. Die Ausgaben für öffentlich Beschäftigte wurden seit Beginn der 1990er Jahre insbesondere durch drastischen Personalabbau stark gekürzt. Im europäischen Vergleich liegt Deutschland damit ganz unten. Eine verständliche Aufstellung über die Ausgaben und wie der Einzelne von seinen Steuerzahlungen indirekt auch wieder profitiert, sucht man in Deutschland vergebens. Das kritisiert auch der Wirtschaftsweise Peter Bofinger (siehe Interview).
Im internationalen Vergleich findet sich Deutschland auch am unteren Ende, wenn es um die so genannte Abgabenquote geht. Gemeint sind damit die durchschnittlichen Ausgaben des Einzelnen für Steuern auf Einkommen und für die Sozialversicherungsbeiträge. Diese Abgabenquote ist in Deutschland in den vergangenen fünf Jahren stark gesunken. Die Sozialversicherungsbeiträge machen in Deutschland - je nach Gehalt - den größeren Anteil der Abgaben aus. Die Abgabenquote ist in Deutschland von 40 Prozent im Jahr 2000 auf 37,9 Prozent im Jahr 2008 gesunken. Damit liegt Deutschland inzwischen unter dem Durchschnitt aller OECD-Staaten.
Steuern fürs Gemeinwohl
Bis in die 1980er Jahre hinein bestand in Deutschland weitgehend der Konsens, dass Steuern zur Finanzierung des Gemeinwohls selbstverständlich sind. Seither haben Lobbygruppen an Einfluss gewonnen, die Steuern und Eingriffe des Staates ablehnen. Nicht nur die gesunkene Staatsquote zeugt von diesem Einfluss. Mit ihrem ständigen Ruf nach Steuersenkungen und Klagen über eine zu hohe Abgabenbelastung erwecken Politiker/innen den Eindruck, dass der Staat über genug Geld verfüge. Die 15 Milliarden Euro, die die CDU ihm vorenthalten will, sind nur ein Beispiel. Der Städte- und Gemeindebund dagegen warnt vor Steuersenkungen. Durch die Folgen der Wirtschafts- und Finanzkrise droht den öffentlichen Haushalten für 2009 ein Einnahmeverlust von 6,1 Prozent und für 2010 ein weiterer von 3,1 Prozent, prognostiziert der Arbeitskreis Steuerschätzung. Kommunen werden besonders unter dem Rückgang der Gewerbesteuer leiden. Allein die steuerliche Absetzbarkeit der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung ab 2010, mit der die Bundesregierung eine Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts umsetzt, ergibt einen Verlust von zehn Milliarden Euro für die öffentlichen Kassen.
"Bei Steuersenkungen muss man sich immer fragen, was man dafür aufgibt", sagt Norbert Reuter, Referent im Bereich Wirtschaftspolitik beim ver.di-Bundesvorstand. Er verweist auf das mittlerweile geflügelte Wort, dass sich nur Reiche einen armen Staat leisten können. Die immer wieder versprochenen Wachstumseffekte durch Steuersenkungen hätten sich aber bislang nie erfüllt. "Der Staat ist der Einzige, der sein Einkommen über die Steuergesetzgebung selbst gestalten kann", sagt der Gewerkschafter. Eine breitere Einnahmebasis setze aber, so Reuter, mehr Gerechtigkeit in der Steuerpolitik voraus. In den vergangenen Jahren seien Unternehmen und Reiche ungleich stärker entlastet worden als die Bezieher/innen niedriger Einkommen. ver.di sieht gerade bei der Vermögens- oder Erbschaftssteuer und bei höheren Steuern auf Unternehmensgewinne Möglichkeiten, die Staatseinnahmen zu steigern. Zum Wohle aller.
Daher ist immer Vorsicht geboten, wenn Steuersenkungen versprochen werden. Ein starker Staat, der im Sinn des Gemeinwohls lenken und eingreifen können will, muss auch finanziert werden. Und Steuersenkungen bezahlt letztlich irgendwann jeder von uns.
Mehr zum "Konzept Steuergerechtigkeit" von ver.di unter www.wipo.verdi.de