VON RENATE BASTIAN

Mit 60 muss Schluss sein mit Löschen - nur, wer zahlt die Versorgungslücke?

Bei Demonstrationen für die sozialen Rechte von Beschäftigten ist Norbert Wiese ganz vorne anzutreffen. Am liebsten, so sagt er, würde er es so machen wie die Erzieherinnen. Nämlich hartnäckig streiken. Aber Arbeitsverweigerung, das geht nicht. Denn Wiese ist hauptamtlicher Feuerwehrmann. Wenn der Notruf eingeht, muss er in Sekunden-schnelle zu körperlichen und psychischen Höchstleistungen bereit sein. Es kann sich um einen Brand drehen, um Chemikalienunfälle, Leben kann in Gefahr sein. Unerschrockenheit und Einsatzwille ungeachtet möglicher eigener Gefährdung sind gefordert. Bei Dienst in Bereitschaft bis zu 48 Stunden in der Woche. Dankbar werden die Retter in der Not in Anspruch genommen. Ihr Ansehen in der Öffentlichkeit ist ungebrochen gut.

In die Rente geht's nur mit Abschlägen

Dennoch ist Norbert Wiese beunruhigt. Er selbst hat die 50 Lebensjahre überschritten. Auch wenn er jetzt noch fit ist - er weiß, lange bringt er die Höchstleistung nicht mehr. Die gesetzliche Regelung in Hessen bestimmt daher aus gutem Grund, dass der Feuerwehrdienst "mit Vollendung des 60. Lebensjahres" endet. Waren sie Beamte, können sie in den Ruhestand gehen. Aber für die ehemaligen Angestellten fangen dann neue Probleme an. Wie sollen sie die Zeitspanne bis zur gesetzlichen Altersgrenze überbrücken? Es besteht zwar die Möglichkeit, in einem anderen kommunalen Bereich zu arbeiten. Aber wie soll das laufen? Norbert Wiese: "Da war einer sein Arbeitsleben lang qualifiziert tätig und wurstelt dann als Ungelernter." Das sei unzumutbar für alle Seiten. Andere Möglichkeit: Er beantragt, vorzeitig in Rente zu gehen. Derzeit kann er frühestens zwei Jahre vor dem Erreichen des gesetzlichen Rentenalters von 65 in den Ruhestand gehen - dann allerdings mit Abschlägen. Das gilt auch für die Zusatzversorgung. Und wie sollen die restlichen drei Jahre überbrückt werden?

ver.di mahnt gesetzliche Regelung an

Der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst sieht für diese Zeitspanne eine Übergangsversorgung von rund 60 000 Euro vor, die zum Teil selbst angespart werden muss. Das hört sich zunächst viel an. Aber Norbert Wiese hat nachgerechnet. Einem Betroffenen bleiben vom Ausscheiden aus dem Dienst bis zum vorzeitigen Rentenbezug drei Lebensjahre hart an der Armutsgrenze: Die Übergangszahlung muss besteuert, Krankenkassenbeiträge bezahlt werden. Eine Versorgungslücke tut sich auf.

Die Stadt Marburg hat - bisher als einzige Kommune - vor gut einem Jahr eine übertarifliche Regelung eingeführt, um diese Lücke zu schließen. ver.di mahnt eine grundsätzliche Lösung im Rentenrecht an. Norbert Wiese erinnert an eine gewerkschaftliche Forderung aus dem Jahre 1960. Die verlangte, dass Angestellte im feuerwehrtechnischen Dienst mit 60 Jahren ausscheiden können und bis zum Rentenbeginn die Bezüge aus der Sozialversicherung weitergezahlt werden. Schließlich haben sie auch für die Allgemeinheit ihr Arbeitsleben lang buchstäblich den Kopf hingehalten. Zur Zeit wären in Hessen rund 300 angestellte Feuerwehrleute betroffen. Aber das Problem steht in der gesamten Republik an. Außerdem gilt es auch für den Justizvollzug.