Ruth de Salditos arbeitet seit vielen Jahren in der Fair-Handels-Organi- sation PFTC, die Kleinbauern auf der philippinischen Insel Panay unterstützt

ver.di PUBLIK | Wie wirkt sich die Wirtschaftskrise auf den Philippinen aus?

Ruth De Salditos | Die Lage für die Mehrheit der Menschen ist schon lange schwierig. Die Globalisierung hat die Wirtschaft liberalisiert, wir haben keine Kontrolle mehr über die Importe. Viele lokale Unternehmen sind deshalb zusammengebrochen. Die aktuelle Situation hat die Lage weiter verschärft: Der Reispreis hat sich verdoppelt. Ein Großteil der Bevölkerung verdient nicht mehr als umgerechnet zwei Euro am Tag. Ein 2,5-Kilo-Paket kostet einen Euro. So können sich viele Familien keine ausreichende Mahlzeit am Tag mehr leisten.

ver.di PUBLIK | Was sind aus Ihrer Sicht die Ursachen für die Situation?

Salditos | Die Ursache ist unsere Abhängigkeit. Über die Industrie verfügen Ausländer und lokale Bürokraten. Fast die gesamte landwirtschaftliche Fläche gehört wenigen Eigentümern, obwohl ein Großteil der Bevölkerung von der Landwirtschaft lebt. Auch Korruption ist ein großes Problem.

ver.di PUBLIK | Gibt es Widerstand?

Salditos | Leute, die den Mund aufmachen, leben gefährlich. Immer wieder verschwinden Regierungskritiker oder landen im Gefängnis. Auch Gewerkschafter, die sich für bessere Löhne einsetzen und die Arbeitsbedingungen anprangern, sind betroffen. Doch der Widerstand wächst. Es gab einen landesweiten zweitägigen Streik bei den öffentlichen Verkehrsmitteln. Auf unserer Insel konnten wir ein Bergbauprojekt stoppen. Als der Manager unserer Organisation festgenommen wurde, haben Frauengruppen vor dem Gefängnis und vor dem Justizgebäude gestanden. Nach einem Monat war er frei. Es gab auch internationale Unterstützung, das ist hilfreich. Unser Land ist reich, es hat Gold, Silber, Öl, Kohle. Wir sind nicht gegen Bergbau, wenn die Bevölkerung davon profitiert und der Abbau das Land nicht mit Chemikalien verseucht, so wie es durch die multinationalen Konzerne geschieht. Wir müssen das öffentlich machen und Alternativen aufbauen. Der faire Handel ist ein Mosaikstein dafür. Dadurch bekommen die Produzenten einen höheren Preis für ihre Produkte und können ihre Familien ernähren. Und es muss eine Bodenreform geben. Dafür finden Demonstrationen statt. Das sind viele kleine Schritte.

Interview: Annette Jensen