Doris Gercke, Erfinderin der Bella Block

Doris Gercke gilt als die erfolgreichste deutsche Krimiautorin. Bekannt wurde sie vor allem durch ihre Romane um die Hauptfigur Bella Block, einer ehemaligen Polizistin, die als private Ermittlerin in unterschiedlichen Städten, Ländern und Milieus Verbrechen aufklärt. Wolfgang Rose und Jörg-Dieter Bischke-Pergande haben mit der Autorin gesprochen.

Doris Gercke, so erzählt sie, trat schon während ihrer Ausbildung als Verwaltungsangestellte in die Gewerkschaft ein. Zuhause, im elterlichen Arbeiterhaushalt und auch in ihrem Freundeskreis war das selbstverständlich. Auch in den 30 Jahren als Hausfrau und Mutter ist sie immer Mitglied geblieben. Erst als der Vorstand des Verbands deutscher Schriftsteller/innen (VS) in der IG Medien sich hinter den Krieg der NATO gegen das damalige Jugoslawien gestellt hat, ist sie aus Verärgerung über die aus ihrer Sicht falsche Position ausgetreten. "Doch da blieb immer eine Lücke, die geschlossen werden musste. Ich war daher froh, als ich dann angesprochen und gebeten wurde, wieder Mitglied bei ver.di zu werden. Das gehört bei einem politisch denkenden Menschen einfach dazu."

"Ich bezeichne mich als ,Privatkommunistin‘!"

Als Tochter eines Elektrikers, der oft arbeitslos war, hatte Doris Gercke bereits als Kind eine klare Idee von der Gesellschaft: Die war in oben und unten und in Arm und Reich geteilt. Dieses Bild war für sie von Anfang an klar, auch wenn zuhause nicht über Politik gesprochen wurde, wegen der Scham, damals den Nazis auf den Leim gegangen zu sein. Mit diesem klaren Weltbild hat sie seit den 68ern auch Politik gemacht und war lange Jahre Mitglied der DKP. Seit etlichen Jahren ist Doris Gercke an keine Partei mehr durch eine Mitgliedschaft gebunden. "Ich habe mich in einem TV-Interview selbstironisch als ,Privatkommunistin` bezeichnet, weil es das am besten trifft. Selbstverständlich beziehe ich kritisch Stellung und trage auf Anfrage auch politische Aufrufe mit - wenn es mein Thema ist!"

"Die Lektüre von Tolstois ,Der Tod des Iwan Iljitsch‘* brachte mich zum Schreiben!"

Doris Gercke hat von Kindheit an gern und viel gelesen. Dabei hat sie immer gewusst, dass sie irgendwann auch schreiben wird, das gehörte für sie zusammen. Angefangen hat sie damit aber erst im Alter von 50 Jahren. Der Auslöser war die Lektüre von Tolstoi. "Iwan Iljitsch konnte nicht sterben, weil er sein Leben nicht richtig gelebt hatte. Da wusste ich, was mir zum richtigen Leben fehlte, nachdem ich über Jahrzehnte nahezu ununterbrochen gelesen hatte. Das Schreiben!"

"Ich wurde Krimiautorin, weil meine Freunde begeistert Krimis lasen!"

Auch die Entscheidung für das Genre Kriminalroman war für sie von Anfang an klar. In ihrem Freundeskreis haben viele begeistert Krimis gelesen, darüber diskutiert und Lektüreempfehlungen ausgetauscht. "Für mich als 50-jährige Anfängerin bestand die Chance und die Herausforderung darin, ins Krimiregal zu gelangen. Wenn meine Leserinnen und Leser wie meine Freunde nach den ersten Seiten nicht aufhören konnten zu lesen, dann hatte ich es geschafft. Zum Glück ist mir das gleich mit meinem Erstling Weinschröter, du musst hängen gelungen."

"Bella Block ist so etwas wie der feministische Gegenentwurf zu den klassischen Kommissaren."

Geholfen hat ihr beim Debüt die Figur der Bella Block, erinnert sich Doris Gercke. "Sie ist mein Gegenentwurf zu den Frauen in den klassischen Kriminalromanen, die meist hübsch, blond, naiv und in Nebenrollen daherkamen." Die ganz anders gestrickte Figur der Bella Block hat die Frauen als Leserinnen ihrer Krimis gewonnen und ihr damals den Ruf einer feministischen Autorin eingebracht. "Für viele, besonders jüngere Leser ist das heute nicht mehr zu verstehen, da sich für sie die Geschlechterrollen seither ein Stück weit geändert haben. In Wirklichkeit ist das natürlich nicht der Fall."

"Ich muss schreiben, um nicht zu ersticken."

Bella Blocks Perspektive verrät viel über Doris Gerckes Sicht auf die Welt. Wenn die Handlung in der Unwirtlichkeit trister Vorstädte spielt, verarbeitet sie darin ihre Beobachtungen während der Milieurecherchen in den Großraumsiedlungen rund um die Stadt. Indem sie in ihren Romanen diese kritische Sicht an die Leser/innen weitergibt, ändert sie zwar nicht diese Wirklichkeit, schärft aber den kritischen Blick ihrer Leserschaft. Daneben gibt es ein ganz persönliches Motiv zum Schreiben: "Im Schreiben verarbeite ich, was ich gesehen habe. Ich muss schreiben, um nicht zu ersticken."

"Die Gewerkschaften müssen den Protest auf die Straße tragen!"

Auf die abschließende Frage, welche Empfehlung sie ihrer Gewerkschaft für die Zeiten schwarz-gelber Regierung geben kann, kommt eine klare Antwort: "Die Gewerkschaften müssen zeigen, dass die Lasten den einfachen Leuten aufgedrückt werden. Dazu müssen sie auch raus aus den Betrieben und den Protest auf die Straße tragen!"

Doris Gerckes Lektüreempfehlung. Das entsprechende reclam-Bändchen kostet 2,60 €.

Von Doris Gercke erschienen neben den Romanen mit Bella Block zwischen 2000 und 2004 unter ihrem Pseudonym Marie-Jo Morell weitere Kriminalromane mit einer männlichen Hauptfigur, daneben etliche Hörbücher, einige Kinderbücher und weitere Erzählungen. Mehr zu ihren Büchern unter: http://www.hoffmann-und-campe.de