Das härtet ab: Hunderte Ungarn laufen am Nikolaustag bei Temperaturen um den Gefrierpunkt in Unterwäsche durch Budapest - jedes Jahr

von Maria Kniesburges

"Richtige Ansatzpunkte" in der Gesundheitspolitik hat der Bundesverband der Deutschen Industrie, BDI, im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und FDP erkannt und zügig aufgegriffen: Was in dem schwarz-gelben Vertragswerk noch als "langfristiges" Ziel auftaucht, zumal ja im nächsten Frühjahr noch die Wahlen in Nordrhein-Westfalen anstehen, das hat der BDI Ende November in Klartext gegossen: die Eckpunkte für eine "grundlegende Gesundheitsreform". "Für eine starke Gesundheitswirtschaft in Deutschland - Positionen für ein innovationstreibendes, dynamisches und solidarisches Gesundheitssystem" hat der BDI sein zukunftsweisendes Papier überschrieben. Und da geht es zur Sache: Weil die Gesundheitswirtschaft ein Wachstumsmarkt sei, auf den Deutschland nicht verzichten könne, bedürfe es einer "umfassenden Deregulierung". Will heißen: den Abbau lästiger Regeln. Dazu gehören etwa der "Verzicht auf zentralistische Eingriffe in die Preisbildung" der Arzneimittelindustrie und, so will es der BDI: "Bürokratische Hürden, zum Beispiel bei klinischen Studien, sollten auf ein Minimum beschränkt und Genehmigungsverfahren weiter optimiert werden." Motto: Was einmal da ist in Tabletten- oder Flüssigform, muss schleunigst rauf auf den Markt, denn wir haben es mit weltweiter Konkurrenz zu tun. Und damit die bundesdeutsche Pharmaindustrie darin bestehen kann, braucht es eine "steuerliche Forschungs- und Entwicklungsförderung", und zwar für "Unternehmen aller Größenklassen".

Während so nach dem Willen des BDI den einen die Steuermittel zufließen sollen, sieht das so genannte innovationstreibende Konzept für die anderen ein Mehr-Klassen-System vor, wenn auch in freundlicher Verpackung: "Jeder Bürger - ohne Ansehen von Herkunft oder Einkommen", so heißt es da, soll einen "Anspruch auf umfassende medizinische Leistungen und Teilhabe am medizinisch-technischen Fortschritt" haben. Was unter "umfassend" zu verstehen ist, wird gleich im nächsten Satz erläutert: "Soweit es aber um Komfortleistungen oder eine größere Auswahl von (ansonsten gleichwertigen) Behandlungsalternativen geht, muss der Bereich der solidarischen Finanzierung - schon um sie bezahlbar zu halten - verlassen werden." Denn Solidarität bedeute schließlich auch, "dass jeder Einzelne selbst tut, was er tun kann".

Kopfpauschale aufgehübscht

Komfortleistungen? Was wird das heißen? Welche Reha-Maßnahme wird künftig als Komfortmaßnahme gelten und von den Versicherten selbst bezahlt werden müssen, welche nicht? Das bleibt vorerst im Dunkeln. Zwingend für den BDI, das ist ein Kern seines Konzepts, ist der radikale Umbau des Finanzierungssystems im Gesundheitswesen, was auch hier als "Reform" daherkommt. Angestrebt wird die Kopfpauschale, da ist man sich mit der schwarz-gelben Bundesregierung einig. Das heißt, ein jeder und eine jede sollen einen "einkommensunabhängigen Beitrag" zahlen, egal, ob er oder sie 1000 oder 5000 Euro und mehr verdient.

Schön, wie das böse Wort Kopfpauschale sprachlich so feinsinnig aufgehübscht wird, damit es nicht gleich so hart auf den Magen schlägt: Kommt es im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und FDP noch eher schnöde als "einkommensunabhängiger Arbeitnehmerbeitrag" daher, hat es der Bund der Deutschen Industrie zur "Gesundheitsprämie" erkoren, die "jeder Bürger" zahlen soll, "unabhängig davon, welche Einkommensart er erhält". Beginnen soll der Umbau des Finanzierungssystems, der wohl zutreffender als Abschaffung des Solidarsystems im Gesundheitswesen zu bezeichnen ist, nach dem Vorschlag des BDI mit der "Entdeckelung der Zusatzbeiträge zum Gesundheitsfonds". Gezahlt werden soll also gleich, und das kann teuer werden. Bleiben Sie besser gesund.