PUBLIK sprach mit Vertreter/innen der Bereiche, die von der Rotstiftpolitik betroffen sind.

Unten nehmen, oben geben?

Von wegen: Zur Kasse, Millionäre!

Wolfgang Rose

Hamburg ist keine arme Stadt, sie gehört zu den reichsten Metropolen Europas. Aber Ole von Beust guckt offenbar nur auf das, was sein Finanzsenator ihm an Zahlen hinlegt. Deshalb wird jetzt viel über Sparen und Streichen geredet. Die gigantischen Privatvermögen interessieren den Senat nicht. Dabei haben Reichtum und Armut viel miteinander zu tun. Brutal sparen gegen die Zukunft, gegen die Kinder, Armen und Schwachen - das ist absurd in einer der reichsten Städte Europas. Senat und Bundesregierung müssten viel mehr tun für ihre Einnahmen. Allein eine neue Vermögensteuer könnte pro Jahr eine Milliarde Euro zusätzlich in Hamburgs Stadtkasse bringen.

Hier leben die meisten Einkommensmillionäre. Trotzdem verzichtet der Finanzsenator darauf, reichen Steuerhinterziehern genau auf die Finger zu gucken. 2008 wurden lediglich 35 von 627 Einkommensmillionären überprüft - nur jeder 20. Millionär in Hamburg muss also das Finanzamt fürchten. Gleichzeitig kündigt Ole von Beust an, beim Sparen gebe es nun keine Tabus mehr. Ich finde das skandalös. Denn jede Steuerprüfung bei Millionären bringt im Schnitt rund 115 000 Euro.

Sparprogramme in den Kitas, in den Bezirken, bei sozialen Diensten und Bildung, in Kunst und Kultur - aber Milliarden Ausgaben für die HSH Nordbank und Millionen für die Zinsen? Neue Hürden für Arbeitslose, aber Hunderte von Millionen für Leuchttürme wie die Elbphilharmonie und die U4? Unten nehmen und oben geben?

Hamburg wird Nein dazu sagen, denn Hamburg ist eine kluge und solidarische Stadt. Sie wird sich wehren gegen ungerechte Antworten auf die Krise. Ein Spar-diktat darf es nicht geben. ver.di hat dem Senat einen Runden Tisch angeboten, an dem auch über gerechte Steuern zu reden wäre. Doch der Senat geht seine eigenen Wege. Er wird versuchen, die Betroffenen gegeneinander auszuspielen: Kitas gegen Kunst, Arbeitslose gegen Akademiker. Dieses Spiel spielen wir nicht mit.

Wir werden ein Bündnis schmieden, das den Protest in Hamburg und seinen Stadtteilen organisiert. Jetzt sollen endlich die zahlen, die für die Finanzkrise verantwortlich sind. Das sind nicht die Kinder und die Familien, nicht die Arbeitnehmer und Arbeitslosen, nicht die Migranten, Alten und Schwachen. Wir fordern vom Senat, dass er endlich eine neue Politik beginnt, die oben nimmt und unten gibt.

Wolfgang Rose, Landesbezirksleiter ver.di Hamburg


Bereich Bezirksämter:

Wartezeiten wie im Kongo?

Hans-Jürgen Meyer

Bei den Bezirksämtern muss nach Berichten des Hamburger Abendblatts über die "Rotstift-Pressekonferenz" des Senats vom 27.11.2010 von einem Einsparvolumen von 7,1 Millionen Euro für 2010 und 47,4 Millionen Euro in den folgenden Jahren bis 2013 ausgegangen werden, die dann auf die sieben Bezirksämter in der Stadt verteilt werden. Das bedeutet auf jeden Fall massiven Stellenabbau. Hans-Jürgen Meyer, der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft der Personalräte in den Bezirksämtern, erläutert PUBLIK seine Befürchtungen: "Wir haben immer noch keine offiziellen Zahlen, wissen also nicht genau, was da auf uns zukommt. Wir rechnen aber nach wie vor mit einem zu erbringenden Einsparvolumen zwischen zehn und 15 Prozent. Die dürfen die Bezirksämter dann eigenverantwortlich einsparen. Da zwischen 75 und 80 Prozent des bezirklichen Haushalts Personalkosten sind, geht das nicht ohne Stellenstreichungen. Wir Personalräte befürchten, dass vor allem bei den nicht gesetzlichen Leistungen gestrichen wird: Das heißt: Zusammenlegen oder Schließen von Häusern der Jugend, Streichen bei den Kinderzentren, Elternschulen und Mädchenclubs. Alles Einrichtungen, die für den sozialen Zusammenhalt und die Integration von Migranten von besonderer Bedeutung sind. Soweit zu den Sonntagsreden verantwortlicher Politiker! Auch die Stärkung des Allgemeinen Sozialen Dienstes, ASD, bei der Betreuuung gefährdeter Kinder können wir getrost vergessen. Die politische Verantwortung, wenn ein vernachlässigtes Kind verhungert oder zu Tode geprügelt wird, trägt der Senat, nicht die überforderten Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter, die längst am Rande ihrer Möglichkeiten arbeiten. Auch bei den gesetzlichen Leistungen sind Qualitätsverschlechterungen wohl unausweichlich. Das Bonmot eines Bezirksleiters ,Dann gibts eben Wartezeiten wie im Kongo!' macht schon länger die Runde."


Bereich Bildung, Hortbetreuung:

Täuschung der Öffentlichkeit!

Karin Krause

Jetzt kommt die kostenlose Hortbetreuung für Kinder bis zwölf wohl erst ab 2013. Kostenfrei ist das Betreuungsangebot aber nur während der Unterrichtswochen von 8-16 Uhr. PUBLIK sprach mit Kirsten Korupp und Karin Krause, zwei Erzieherinnen bei der Arbeiterwohlfahrt (AWO): "Das Thema ist kompliziert. Bei der Finanzierung kommen die Rotstiftpolitik, Strukturveränderungen durch Einführung der Primarschule und die chronische Unterfinanzierung des Kitabereichs zusammen. Die Rechenbeispiele zeigen: Viele Eltern zahlen für ein schlechteres Angebot deutlich mehr als jetzt! Nach den uns bekannten Plänen steigen die Gruppengrößen in der Hortbetreuung von derzeit 20 bis 22 auf 25 Kinder an. Die Betreuung findet in Multifunktionsräumen statt: keine Umgebung für sinnvolle pädagogische Angebote, keine Rückzugsmöglichkeiten für die Kids! Ständiger Lärmpegel! Das Betreuungsangebot wird so zur blanken ,Aufbewahrung'! Die Mahlzeiten für die Kids müssen zukünftig Tag für Tag einzeln gekauft werden. Bisher waren sie mit 13 Euro pauschal im Monat über die Kitagutscheine abgegolten!

Mahnwache der ASD-Beschäftigten für gefährdete Kinder

Für einkommensschwache Eltern bei etwa zwei Euro je Mittagessen in der Schulkantine eine erhebliche Zusatzbelastung. Trotz Ausweitung des Angebots wird es nicht mehr Personal geben! Die Arbeitsbedingungen der Erzieher/innen überschreiten die Grenzen der Zumutbarkeit. Wie dabei die im letzten Tarifvertrag erkämpften höheren Standards beim Gesundheitsschutz der Beschäftigten eingelöst werden sollen, bleibt uns ein Rätsel. Wer solche Wohltaten verkündet, aber massiv zum Rotstift greift, täuscht die Öffentlichkeit." www.genugfueralle.de