RHEINLAND-PFALZ | Der 1. FC Kaiserslautern kann 2010 in die Bundesliga aufsteigen, der 97000-Einwohner-Stadt selbst winkt der Abstieg Richtung Kreisliga. Karstadt schließt, und ohne dieses Herzstück droht die City eine innerstädtische Wüste von Ein-Euro-Läden und Handyshops zu werden, 190 Arbeitsplätze gehen für immer verloren, wenn nicht noch ein Wunder geschieht. Weil es Wunder nicht gibt, haben die Beschäftigten selbst zugepackt und alles in die Wege geleitet, um ihr Haus zusammen mit ihrem alten Chef in eigener Regie weiter zu betreiben. Sie werden wahrscheinlich letztlich scheitern, weil der Karstadt-Konzern ihr Heimathaus schon vor Jahren unter ihrem Hintern weg verkauft hat.

Noch nie wurde ein so großes Kaufhaus aus einem Konzernverbund herausgelöst und von der Belegschaft weiter geführt. "Das kann doch nicht funktionieren", sagten einige. "Kann es doch", sagt der Betriebsratsvorsitzende Hermann Heinrich noch heute. "Wir sind Profis. Wir haben uns die Chance verdient, all die Fehler zu vermeiden, die wir seit Jahren machtlos mit ansehen mussten."

Der Betriebsrat fand Unterstützung bei ver.di Rheinland-Pfalz und der Technologieberatungsstelle des DGB. Die TBS hat lange Erfahrungen mit Firmenpleiten und, was noch viel wichtiger ist, Erfahrungen mit Sanierungen und Weiterführung von aufgegebenen Betrieben. TBS-Leiter Winni Ott und sein Team erarbeiteten mit Hochdruck ein tragfähiges Geschäftsmodell und einen Finanzierungsplan. ver.di-Landeschef Uwe Klemens putzte unermüdlich Klinken, um bei Politik und Banken Unterstützung zu sichern. Der bisherige Geschäftsführer verhandelte mit potentiellen Lieferanten und sicherte einen Liefervertrag mit langfristigen Zahlungszielen.

Mit der Schließung am 31. März sollte die Beschäftigten für sechs Monate in eine Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft übergehen. Die Neueröffnung war für den 15. Oktober 2010 geplant. Auf dem Weg dahin waren schon die meisten Hindernisse ausgeräumt.

Der erste ernsthafte Querschläger war die Suspendierung des Geschäftsführers. Die sofort einsetzende öffentliche Empörung und das bundesweite Medieninteresse verhinderten das sonst übliche Hausverbot und sorgten dafür, dass es vorerst weiterging.

Besitzer spielen nicht mit

Den K.O.-Schlag setzten dann die Besitzer des Hauses. Karstadt hatte es wie andere Immobilien auch im Zuge einer der vielen Sanierungen für relativ wenig Geld verkauft und für überhöhte Zinsen zurückgemietet. So war der Konzern zwar kurzzeitig wieder flüssig geworden, hatte aber durch erhöhte Mietkosten die Bilanzen belastet und die Pleite tendenziell beschleunigt. Allen Beteiligten war von Beginn an die Gefahr bewusst, und so wurde ständig versucht, ins Gespräch zu kommen. Als es endlich soweit war, wurde kühl erklärt, man werde nicht vermieten, sondern nur verkaufen. Offensichtlich steht eine Investorengruppe bereit, das Gelände zu verwerten und den dafür geforderten Preis zu bezahlen. Die Beschäftigten können es nicht.

Was die neuen Besitzer aus dem Gelände machen, weiß niemand. Die Beschäftigten gehen planmäßig ab dem 1. April in die Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft. Ab dem 15. Oktober aber wird es kein neues Kaufhaus geben, sondern allenfalls einer der üblichen Zwischenlösungen mit Ein-Euro-Shops und Möbel-Abverkäufen, bis Abrissbirne und Bagger anrücken. Alles deutet auf eine Einkaufsmall hin, mit der weitere Leerstände in der Umgebung erzeugt werden und die kaum anständig bezahlte Arbeitsplätze bringt.

Hermann Heinrich: "Das ist bitter. Aber wir können stolz auf unsere Arbeit der letzten acht Wochen sein. Wir haben alles getan, was wir konnten. An uns hat es nicht gelegen." Jürgen Dehnert

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