Ausgabe 01/2010-02
Minus 40 Stellen macht ...
Minus 40 Stellen macht plus 40 Ein-Euro-Jobs
Die Personalräte Hans-Jörg Barthel (re.) und Hilmar Geiger von der Stadtreinigung Leipzig wehren sich
Ein-Euro-Jobs wurden einst geschaffen für all jene Hartz-IV-Empfänger, bei denen andere Mittel der Eingliederung in Arbeit, Ausbildung und Qualifizierung nicht möglich sind. Die Jobs sollen zusätzlich und im öffentlichen Interesse sein, keine reguläre Arbeit verdrängen. So sieht es der Gesetzgeber vor. Die Realität ist anders.
Nachdem die Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (ABM) abgeschafft wurden, sind die Ein-Euro-Jobs das bedeutendste Instrument der Arbeitsmarktpolitik geworden. Das gilt in besonderem Maße für Ostdeutschland. Es gibt Arbeitsgelegenheiten - so heißen sie offiziell - mit Aufwandsentschädigung und einer Entgeltvariante. Die Entgeltvariante ist die teurere, sie kommt der ABM-Vergütung nahe. Ihr Anteil ist bei den Arbeitsmöglichkeiten allerdings der geringere.
Der DGB veröffentlichte 2009 im "Arbeitsmarkt aktuell" eine Studie über Entwicklungen bei den Ein-Euro-Jobs. Es ging um die Jahre 2005 bis 2007. 19 000 Personen in Ein-Euro-Jobs wurden befragt. Überwiegend positiv gesehen wird bei den Befragten die soziale Integration, ebenso jeder Zuverdienst bei Hartz IV. Die Motivation vor allem in Regionen mit hoher Arbeitslosigkeit ist groß. Ein Indikator dafür: 41 Prozent der Arbeitslosen im Osten suchen sich eine Beschäftigung selbst, im Westen sind es nur 26 Prozent. Aber die Hoffnungen werden leider zu oft enttäuscht. 64 Prozent der Befragten sehen für sich keine besseren Beschäftigungsaussichten. Das entspricht auch dem Stand der Begleitforschung.
Die Problemfelder sind vielfältig: Nur jeder Sechste in Hartz IV erhält ein Angebot für eine Arbeitsstelle, Männer und Jüngere werden bevorzugt, auch bei der Vergabe von Ein-Euro-Jobs. Weiterbildungsmöglichkeiten werden von den ARGEn nur mit jedem Zweiten besprochen. Jeder Vierte sieht Arbeitsgelegenheiten als entwürdigend an. Das hat sicherlich damit zu tun, dass 68 Prozent der Betroffenen eine abgeschlossene Ausbildung haben. Mit Qualifizierung wären sie fit für den ersten Arbeitsmarkt. 50 Prozent der Befragten geben an: Wir tun das Gleiche wie Festangestellte. Bleibt die Frage: Wird die Arbeitsmarktmaßnahme missbraucht?
Reguläre Arbeit verdrängt
In Sachsen gibt es derzeit etwa 40 000 Ein-Euro-Jobs. Der DGB geht davon aus, dass sie kein Instrument sind, um reguläre Arbeit zu bekommen. Sie sind ein Aktivierungsmoment und mittlerweile das einzige arbeitsmarktpolitische Instrument der ARGEn. Ein Beispiel aus Leipzig: In der Abteilung Grünanlagen des Eigenbetriebes Stadtreinigung arbeiteten 2003 insgesamt 118 Gärtner, 61 Landschaftspfleger, 16 Gartenarbeiter und zwei Arbeiter. Durch Personalabbau sank bis 2008 die Zahl der Mitarbei-ter/innen auf 90 Stellen bei den Gärtnern, 46 bei den Landschaftspflegern, elf bei den Gartenarbeitern, Arbeiter gibt es keine mehr. 40 Stellen wurden abgebaut, die Arbeitszeit von 40 auf 37,5 Stunden gesenkt - und nun ist die Arbeit nicht mehr zu schaffen.
Der Eigenbetriebsleiter beantragte zweimal 20 Ein-Euro-Jobs bei der ARGE. Die stimmte zu, der Personalrat nicht. Die beiden Personalräte Hans-Jörg Barthel und Hilmar Geiger erklären warum: Die Ein-Euro-Jobber sollen städtische Grünanlagen reinigen. Dies gehört zu den Tätigkeiten der Mitarbeiter/innen, je nach Stelle mit bis zu 50 Prozent. Erst werden Stellen abgebaut, dann billig ersetzt und reguläre Arbeit verdrängt. Der Personalrat erreichte in der Einigungsstelle, dass wenigstens die Entgeltvariante für die Ein-Euro-Jobs angewandt wurde. Eigentlich müsste die Stadtreinigung Leipzig die fehlenden Leute regulär einstellen.
ver.di und DGB fordern die Abschaffung der Ein-Euro-Jobs und die Umwandlung in sozialversicherungspflichtige Beschäftigung. Die Mittel sollen für öffentlich geförderte Beschäftigung eingesetzt werden für Regionen mit hoher Arbeitslosigkeit und für benachteiligte Personengruppen.