Betriebsräte, Personalräte, Mitarbeitervertretungen werden 2010 neu gewählt. Von Februar bis Juni 2010 bieten wir für rechtliche Fragen im Zusammenhang mit der Wahl von Betriebsräten, Personalräten und Mitarbeitervertretungen die telefonische Hotline über unsere ver.di-Rechtsabteilung an. Mehr dazu unter http://hamburg.verdi.de ver.di. Wahl-Hotline: 040 / 28 58 18 17 Montag, Dienstag und Donnerstag jeweils 9 - 17 Uhr.

Beispiel Deutsche Telekom

Netzproduktion Infrastruktur Niederlassung Nord

Der Betriebsrat und die Vertrauensleute der Deutschen Telekom Netzproduktion Infrastruktur Niederlassung Hamburg, ein Betrieb mit circa 1200 Beschäftigten in Hamburg, Schleswig-Holstein und Niedersachsen, haben für ihre gewerkschaftliche Arbeit den DGB-Index Gute Arbeit herangezogen und eine breit gefächerte Mitarbeiter/innen-Befragung vorgenommen. PUBLIK sprach mit Manfred Becker (55), freigestelltes Mitglied des Betriebsrats, und Michael Sadowski (54), dem Sprecher der Vertrauensleute.

ver.di PUBLIK | Wie kamt Ihr auf die Idee zu dieser Befragung?

Manfred B.

MANFRED | Nach den letzten BR-Wahlen 2006 war uns klar, dass wir einen neuen Ansatz für die Arbeit brauchten, da unser Einfluss auf die Beschäftigungsentwicklung im Betrieb immer weiter zurückgegangen war, seit im Unternehmen die alte Personalbemessung durch die Festlegung von Personalbudgets abgelöst wurde. Kurz: Wir brauchten einen anderen Hebel, um die Interessen der Kollegen und Kolleginnen wieder erfolgreicher vertreten zu können. Da war es eine glückliche Fügung, dass uns im Frühjahr 2006 auf einer Tagung der DGB-Index Gute Arbeit vorgestellt wurde. Für uns war das die alte Idee der Humanisierung der Arbeit im neuen Gewand mit all ihren Möglichkeiten der betriebsrätlichen Mitbestimmung zum Arbeits- und Gesundheitsschutz.

ver.di PUBLIK | Und dann habt Ihr gleich mit der Befragung losgelegt?

Michael S.

MICHAEL | Mal sachte! Wir mussten uns erst einmal mit dem neuen Instrument und seinen Möglichkeiten vertraut machen. Dabei haben uns die Kollegen vom DGB-Index Gute Arbeit mit Ralf Stuth sowie des Bereichs Innovation und Gute Arbeit bei ver.di mit Hans-Joachim Schulz sehr geholfen. Klar war: Wir brauchen einen langen Atem und wir müssen möglichst alle mitnehmen.

ver.di PUBLIK | Wie ist das gelungen?

MANFRED | Der Schlüssel war eine Betriebsversammlung 2008, auf die wir heute noch stolz sind. Wir haben das CCH zu einem Theater umfunktioniert und kleine Szenen auf die Bühne gebracht, in denen wir den Kollegen und Kolleginnen ihre Alltagserfahrungen mit all den Widrigkeiten und Belastungen gespiegelt haben. Grundidee war das Lied 10 kleine Negerlein, das den Personalabbau nach der Vorgabe einer erneuten Personalminderung von 250 "Personaleinheiten" ins Bild setzte: Arbeit ohne Ende, aber immer mehr Kolleg/innen aus dem Theater-Büro verschwanden. Ein Kollege bekam einen Stahlhelm aufgesetzt und wurde zum neuen Arbeitgeber Bundeswehr verabschiedet; eine Kollegin erhielt von ihrem Chef zeitgleich den Blumenstrauß zum 55. Geburtstag und den Abschiedsbrief in die vorgezogene Pension; zum Schluss blieb eine Kollegin im Büro, deren Herzschlag am Ende eingespielt wurde, erst ruhig, dann mit steigender Arbeitsbelastung immer hektischer und schneller, bis er verstummte, und nur noch das nervtötende durchgezogene Signal zu hören war, wie wenn ein Herz auf dem Monitor am Krankenbett aufgehört hat zu schlagen. Die Kollegin rutschte vom Stuhl, und das Blaulicht eines Sankas flackerte gespenstisch über die leere Bühne und den verdunkelten Saal.

Betriebsräte neu verankern

ver.di PUBLIK | Und dann?

MICHAEL | Die anschließende Umfrage orientierte sich am DGB-Index Gute Arbeit. Wir haben sie ausdifferenziert für die verschiedenen Ressorts, Betriebsstellen erfasst und nach Kriterien wie Alter, Führungsfunktion und Tätigkeitsarten wie Monteure/Techniker, Verwaltung/Support, Referenten/Ingenieure ausgewertet. An der Rücklaufquote von 67 Prozent haben wir gemerkt, wie sehr wir die Kolleg/innen für das Thema hatten sensibilisieren können.

ver.di PUBLIK | Was habt Ihr mit den Ergebnissen gemacht?

MANFRED| Wir haben mit dem Arbeitgeber zusammen eine Projektgruppe gebildet und dort Themenfelder zur Bearbeitung abgesteckt, die der Betriebsrat auch gut beeinflussen kann. Der Rahmen dafür war auf ein Jahr angelegt. Herausgekommen sind bis jetzt zwei neue Betriebsvereinbarungen: Die eine regelt das betriebliche Eingliederungsmanagement nach § 84 SGB IX neu, die andere das Verfahren zur Einrichtung und Ausstattung von Arbeitsstätten und -plätzen, wobei die Beteiligung der betroffenen Beschäftigten zwingend festgeschrieben ist.

ver.di PUBLIK | Was hat sich in der betriebsrätlichen Arbeit geändert?

MICHAEL | Die Bereitschaft unserer Geschäftsführung zu gemeinsamen Projekten und Problemlösungen ist deutlich gestiegen. Ein Beispiel ist die Einrichtung eines funktionierenden Gesundheitszirkels in unserer Lübecker Betriebsstelle. Wir haben auch festgestellt, dass unsere Geschäftsführung seither etwas sensibler mit den konkreten Problemen und Nöten der Beschäftigten am Arbeitsplatz umgeht. Schließlich ist auch unser Rückhalt in der Belegschaft größer geworden, wie die Antworten auf die entsprechenden Fragen in der Erhebung zeigen: 64,6 Prozent haben sehr hohes oder hohes Vertrauen in den Betriebsrat, nur fünf Prozent sind mit seiner Arbeit ganz und gar unzufrieden.

Neugierig geworden? Der Kollege Manfred Becker steht für Rückfragen zur Verfügung unter Tel. 040 / 4114 1012, mobil 0171 / 22 88 359, E-Mail Manfred.Becker@telekom.de, mehr unter www.dtnpn.verdi.de


Faire Arbeit -

Das Beispiel SPARDA Bank Hamburg

Eine etwas andere Vorgehensweise als bei der Telekom wählte der Betriebsrat der SPARDA Bank mit ihren knapp 500 Beschäftigten in 29 Filialen, wie sein Vorsitzender, Michael Cords (54) im Gespräch mit PUBLIK ausführt.

Michael Cords

MICHAEL CORDS | Als wir 2006 loslegten, gab es den DGB-Index als eingeführtes Befragungsinstrument zur Qualität der Arbeit noch nicht. Wir haben uns daher die Unterstützung von Prof. Dr. Alfred Oppolzer von der Uni Hamburg geholt. Er hat mit uns die Umfrage entwickelt und 2008 umgesetzt, wobei die erstaunliche Rücklaufquote von 65,6 Prozent zustande kam. Und wir haben von Beginn an mit der Geschäftsleitung zusammengearbeitet. Uns war klar, dass es auch um Fragen im Führungsverhalten gehen würde, die wir nur gemeinsam mit dem Vorstand bearbeiten können. Folglich stand gleich am Anfang eine Kooperationsvereinbarung zwischen Vorstand, Betriebsrat und ver.di, in der es unter anderem heißt: Durch "faire Arbeitsbedingungen können zusätzliche Leistungspotentiale zum beiderseitigen Nutzen von Unternehmen und Beschäftigten erschlossen, können Kosten gesenkt, können Wohlbefinden, Gesundheit, Work-Life-Balance und Motivation der Beschäftigten über das gesamte Erwerbsleben hinweg gefördert und geschützt werden. Das führt zu einer Steigerung des Unternehmenswerts und gleichzeitig zu einer deutlichen Verbesserung der Lebensqualität der Beschäftigten."

Damit stand auch das erste Ziel des Prozesses von Beginn an fest: die Entwicklung eines ganzheitlichen, lernenden Gesundheitsmanagements, flankiert von mitarbeiter- und beteiligungsorientierten Führungsgrundsätzen. Die gemeinsame Überzeugung: Mitarbeiter, die über längere Zeit Leistung bringen sollen, können das nur in einer fairen Arbeitsumgebung unter förderlichen Bedingungen.

Zielvereinbarungen belasten

ver.di PUBLIK | Und die Ergebnisse der Umfrage?

CORDS | Zum einen sind die klassischen physischen Büroarbeitsbelastungen festgestellt worden: Rückenschmerzen durch falsche Haltung am Arbeitsplatz, Augen- und Sehbeschwerden aufgrund der Arbeit am Bildschirm, Belastungsstörungen durch negative Umgebungseinflüsse wie Klima und Lärm. Insgesamt lagen die Belastungsanzeigen aber deutlich unter den Werten, die aus anderen Studien im Bankenbereich bekannt sind. Handlungsbedarf sahen wir beim Thema Zielvereinbarung. Jeder fünfte Befragte gab an, dass er die gesetzten Ziele "gar nicht" oder "kaum" erreichen könne und befürchtete dadurch berufliche Nachteile. Nahezu zwei Drittel empfanden die Zielvereinbarung als reine Zielfestlegung, auf die sie kaum Einfluss hätten. Das Thema Ziele hatte somit für uns eine hohe Priorität.

ver.di PUBLIK | Was ist daraufhin unternommen worden?

CORDS | Wir haben in der gemeinsamen Steuerungsgruppe die Ergebnisse unter der Überschrift "Daten für Taten" nach Oppolzer als Handlungsauftrag angenommen und im Jahr 2009 vorerst zwei Verbesserungsprozesse eingeleitet: Einmal gibt es jetzt Arbeitsplatzbegehungen mit dem Ziel, festgestellte ergonomische Mängel und Umgebungsbelastungen umgehend abzustellen oder zu reduzieren. Und: Wir haben das alte Zielfindungssystem durch eine Betriebsvereinbarung Mitarbeiterförderung abgelöst. Im Vordergrund stehen der faire Umgang mit den Mitarbeitern, die beidseitige Verabredung statt der einseitigen Vorgabe, der realistische Blick.

Standort ausbauen

ver.di PUBLIK | Ist der Prozess abgeschlossen?

CORDS | Keineswegs. Wir steuern jetzt in Gesprächen mit dem Vorstand, unterstützt von ver.di, ganz neue Ziele an:

  • Wir wollen Elemente der Beschäftigungssicherung vereinbaren, etwa den Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen, um den Kolleg/innen diese belastende Angst zu nehmen.
  • Wir verhandeln über ein Bekenntnis des Arbeitgebers zum Standort, in dem er Ausgliederungen und Verlagerungen weg aus der Region ausschließt.
  • Wir erwarten von ihm, von der Aushöhlung tariflicher Standards mit dem Ziel von Lohnsenkungen abzusehen.

Wir sind zuversichtlich, die Erklärungen zu bekommen. Unser Arbeitgeber weiß: "Die Wettbewerbs-, Innovations- und Leistungsfähigkeit kann nur durch nachhaltige Investitionen in das soziale Unternehmenskapital (Führung, Vertrauen, gemeinsame Überzeugungen und Werte) sowie in der Förderung von Motivation, Qualifikation, Gesundheit und Wohlbefinden der Mitarbeiter/innen gesichert und ausgebaut werden. Das leistet faire Arbeit." So steht es in der Präambel der Koperationsvereinbarung.

Für Rückfragen steht Kollege Cords unter Tel. 040 / 380 15 19 69 oder per E-Mail Michael.Cords@sparda-bank-hamburg.de zur Verfügung. Mehr unter www.faire-arbeit.de

ver.di will gute Arbeit in der betrieblichen Praxis umsetzen und gute Beispiele verbreiten, damit sie Schule machen. Mehr dazu: www.verdi-gute-arbeit.de

Der DGB-Index Gute Arbeit ist das menschliche Maß für die Arbeit. Mehr dazu unter www.dgb-index-gute-arbeit.de