Peter Bajus

ver.di PUBLIK | Herr Bajus, wo verläuft der Wanderweg Europäische Wasserscheide?

PETER BAJUS | Der Wanderweg führt von der Rokokostadt Ansbach über Burgbernheim, vorbei an Rothenburg ob der Tauber nach Schnelldorf. Er verläuft fast immer 500 Meter hoch auf dem Kamm der Frankenhöhe, die im Norden und Westen 150 Meter steil abfällt.

ver.di PUBLIK | Aber Ihr fränkischer Wanderweg ist nur ein kleiner Teil der Europäischen Wasserscheide.

BAJUS | Ja, er ist nur 98 Kilometer kurz, die Europäische Wasserscheide aber mehrere tausend Kilometer lang. Sie führt von Gibraltar quer durch Europa bis nach Russland am Ural.

ver.di PUBLIK | Was genau ist eine Wasserscheide?

BAJUS | Eine Trennungslinie in der Natur: Das Quellwasser fließt entweder nach Norden oder nach Süden ab.

ver.di PUBLIK | Und wohin fließt das Quellwasser von der Frankenhöhe ab?

BAJUS | Das Quellwasser nach Norden fließt zum Beispiel in die Tauber, dann über den Neckar oder den Main und den Rhein in die Nordsee. Das nach Süden fließt in die Altmühl, weiter in die Donau und dann ins Schwarze Meer. Im Naturpark stehen Grenzsteine aus Granit: Auf der einen Seite steht M, von dort fließt das Wasser zum Main, auf der anderen D für Donau.

ver.di PUBLIK | Kann der Wanderer den Verlauf der Wasserscheide selbst erkennen?

BAJUS | Der geübte Wanderer kann die Himmelsrichtungen anhand des Sonnenstandes bestimmen. Wenn er an ein Wässerlein kommt - und er kommt an sehr vielen Wässerlein vorbei - kann er prüfen: Wo läuft jetzt dieser Bach hin?

ver.di PUBLIK | Ja, wo läuft er denn hin?

BAJUS | Nach Süden, wenn die Sonne im Süden steht und der Bach dorthin abfließt. Sieht der Wanderer ein paar Hundert Meter weiter, dass der nächste Bach nach Norden abfließt, dann weiß er, dass er die Wasserscheide überschritten hat.

ver.di PUBLIK | Gibt es weitere Anhaltspunkte für die Wasserscheide?

BAJUS | In Nordenberg etwa läuft man auf einer Anhöhe über eine Straßenkreuzung. Wenn es regnet, teilt sich das Wasser: eine Hälfte fließt nach Norden ab, in den Ort hinein, die andere nach Süden, in Richtung Wald. Bei einem Haus, das genau auf der Wasserscheide liegt, entwässert die nördliche Dachseite in die Nordsee, die südliche ins Schwarze Meer.

ver.di PUBLIK | War es für Sie als Wegewart wichtig, den Wanderweg immer möglichst eng an der Scheide entlang zu führen?

BAJUS | Ja, weil er ein Themenweg ist. Bis auf zwei Ausnahmen weicht er deshalb nie weiter als 200 Meter von der Wasserscheidelinie ab.

ver.di PUBLIK | Was kann der Wanderer zum Thema Wasser noch entdecken?

BAJUS | In Elpersdorf und Schillingsfürst symbolisieren zwei von Künstlern geschaffene Wasserscheidebrunnen die Teilung der Wasser. Von Burg Colmberg, die genau auf der Kante der Frankenhöhe steht, blickt man über das obere Altmühltal. Wildbad mit seinen gesunden Quellen war früher ein kurfürstliches Heilbad. Und in Schillingsfürst gibt es einen Wasserturm und ein Brunnenhausmuseum mit Ochsentretanlage.

ver.di PUBLIK | Warum setzen Sie sich ausgerechnet fürs Wasserwandern ein?

BAJUS | Ich wandere gern durch stille Wälder und höre nur die Wässerlein rauschen. Das ist das Prickelnde an Wasserscheiden. Wenn ich sehe, dass ein Rinnsal durch Äste oder Laub gestaut wird, suche ich immer ein Stöckchen. Dann beseitige ich den Stau, damit der Bach wieder richtig fließen kann.

ver.di PUBLIK | Nach all dem müssen Sie ein Wassermann sein.

BAJUS | Nein, aber ich bin ein Fisch.

Interview: Günter Ermlich