Ausgabe 05/2010
Pressestimmen
DIE ZEIT 6. Mai 2010Starke Worte: Als ein "unmoralisches Angebot" wertete der Gesamtbetriebsrat von Karstadt die Offerte der Beteiligungsgesellschaft Triton, den Warenhauskonzern zu übernehmen. [...] Margret Mönig-Raane, stellvertretende Vorsitzende der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, reagierte besonnener: Die Nachricht, dass es einen Investor gebe, sei erstmal gut. Allerdings könne man keine weiteren Zugeständnisse machen. In den nächsten drei Jahren verzichten die Mitarbeiter auf Einkommen in Höhe von 150 Millionen Euro. "Mehr geht nicht", so Mönig-Raane. Oder doch? Die Gewerkschafterin steckt in der Bredouille. Bleibt sie hart, dürfte Johannes Maret von Triton sein Angebot zurückziehen. Der besteht auf weiteren Opfern [...], was wohl nichts anderes bedeutet, als die Personalkosten zu senken [...] Es hat nichts mit Sturheit zu tun, wenn sich Mönig-Raane damit schwertut. Schließlich gibt es Tarifverträge, an die sich etliche Einzelhändler halten, so auch die Metro, zu der die Warenhauskette Galeria Kaufhof gehört. Weicht Karstadt mit dem Segen der Gewerkschaft von tariflichen Regeln dauerhaft ab, wäre das ein Wettbewerbsvorteil. Den könnten die Konkurrenten nicht akzeptieren. Das gesamte Tarifwerk geriete ins Wanken.
Die Spekulanten
ZDF MORGENMAGAZIN 5. Mai 2010 "Wir erleben, dass Banken, die eben noch gerettet wurden durch Staaten, jetzt munter gegen ebendiese Staaten mit Instrumenten spekulieren, von denen Bundespräsident Horst Köhler sagt, sie seien finanzpolitische Massenvernichtungswaffen." Frank Bsirske, Vorsitzender von ver.di, zur Griechenland-Hilfe der Banken
Der Tod des 1. Mai
BILD AM SONNTAG 2. Mai 2010Heute hat der Berliner und Hamburger Krawalltag den 1. Mai der Gewerkschaften längst überlagert. Das liegt auch daran, dass die Kundgebungen mit DGB-Chef Sommer oder Verdi-Chef Bsirske nur noch ein Schatten der Kundgebungen von einst sind. Es sind Routineveranstaltungen, man merkt ihnen an, dass keine Leidenschaft mehr im Spiel ist: friedliche Folklore. Schon in den 60er-Jahren begann der Schwund: Die Arbeiter liefen auseinander, sie bauten sich Häuser, verbürgerlichten, verstanden sich am Ende gar nicht mehr als Arbeiter. Und der 1. Mai wurde immer mehr zu einem Tag, der die Leute ins Grüne trieb: ein Frühlings- und Familienfest, aber kein Arbeiterfest mehr. Der Erfolg der Arbeiterbewegung hat dem 1. Mai das Wasser abgegraben.
Reform der Rituale
FRANKFURTER RUNDSCHAU 3. Mai 2010 So ist das am "Tag der Arbeit". Auf deutschen Plätzen sagen Gewerkschafter kluge und wahre Dinge. Dass an Löhnen und Kindergärten gespart wird, während die Gewinne steigen. Dass wir einen Mindestlohn brauchen, und vieles mehr. Aber immer weniger Menschen hören zu. Der Protest erschien auch in diesem Jahr wie ein mühseliges, altes Ritual. Um das zu verstehen, muss man die Arbeitswelt anschauen, über die die Gewerkschaften reden. Die Designerin, die am Feiertag ihren Werkvertrag erfüllt, arbeitet so flexibilisiert wie die Kassiererin, die am verkaufsoffenen Sonntag schlecht bezahlt schuftet. Beide werden vielleicht zusammen gegen Nazis demonstrieren, immerhin. Aber nur eine von beiden wird sich angesprochen fühlen von IG Metall und Verdi. Ein neues Klima der Solidarität müsste an den unterschiedlichen Arbeitsformen unserer Zeit nicht scheitern. Aber es scheitert in einem politischen Umfeld, das seit Jahren den organisierten Egoismus betreibt. Es ist gut, dass Gewerkschaften dagegen angehen. Allein aber werden sie die Wende nicht schaffen - schon gar nicht ohne neue Formen des Protests.