Wolfgang Rose, ver.di-Landesbezirksleiter, auf der Abschlusskundgebung der Schulverbesserer-Parade am 5. Juni

Am 5. Juni zogen gut 4 000 Schulverbesserer in einer großen Parade für eine bessere und gerechtere Schule von der Moorweide zum Hamburger Rathausmarkt. Auf der Abschlusskundgebung warb der ver.di-Landesleiter Wolfgang Rose für die Vorlage der Bürgerschaft. Auszüge aus seiner Rede:

Der Titel der Volksinitiative "Wir wollen lernen" ist irreführend: In Wirklichkeit muss er heißen "Wir wollen getrennt lernen". Und das ist der Unterschied zwischen denen und uns: Wir Schulverbesserer wollen, dass die Kinder nicht getrennt lernen, denn das schadet nicht nur ihnen, sondern auch unserer Stadt und unserer Zukunft (...). Ich kann es auch ganz persönlich sagen: Vor 52 Jahren bin ich nach der vierten Klasse von meinen Mitschülern getrennt und auf das Gymnasium geschickt worden. Unsere soziale Gemeinschaft wurde auseinander gerissen und musste sich neu sortieren: nach Oberschülern, Mittelschülern und Volksschülern. Vor 14 Jahren wurden meine Töchter nach der vierten Klasse getrennt: Auch ihre Altersgruppen mussten sich neu orientieren. Meine Töchter gingen zur Gesamtschule und viele ihre Freundinnen zum Gymnasium. In zehn Jahren werden meine Enkel in der vierten Klasse sein, und ich will auf gar keinen Fall erleben, dass sie wieder getrennt werden und sich sozial neu orientieren müssen, sondern dass sie endlich die Chance haben, zusammen zu lernen für eine gemeinsame Zukunft in einer solidarischen Stadt, am besten in einer Schule für alle. (...)

Denn in Wirklichkeit geht es bei dieser Reform nicht nur um die Schule. Es geht um die Zukunft unserer Stadt und unserer Gesellschaft im Ganzen. (...) Eine Gesellschaft, in der nicht mehr die soziale Herkunft darüber entscheidet, was, wie viel und mit wem man lernen darf, und welche Möglichkeiten man später im Leben hat. Eine Gesellschaft, in der es mehr sozialen Zusammenhalt und mehr sozialen Ausgleich gibt, und zwar gerade deshalb, damit jede und jeder die gleiche Chance hat, seine Persönlichkeit zu entwickeln und zu entfalten. Eine Gesellschaft, in der es kein starres Oben und Unten gibt, keine selbstherrliche Elite, die es heute wieder ganz ungeschminkt für ihr natürliches Recht hält, Macht und Reichtum unter sich aufzuteilen. Und keine untere Schicht, der nur dienende Tätigkeiten vorbehalten bleiben. Also eine Gesellschaft, die endlich modern wird im Sinne der Aufklärung und des Humanismus: demokratisch und sozial, solidarisch, gerecht und frei.

(...) Aber dazu passt keine Schule, in der die Kinder schon früh sortiert werden. Dazu passt keine Schule, in der die soziale Herkunft entscheidet, wo und was man lernen darf. Dazu passt keine Schule, in der die Kinder schon früh lernen, dass es ein scheinbar natürliches Oben und Unten gibt. Dazu passt keine Schule, in der die Kinder schon früh auf Konkurrenzkampf und Auslese gedrillt werden, anstatt Gemeinschaftlichkeit und Zusammenarbeit lernen zu können. Und dazu passt keine Schule, in der die Kinder erfahren, dass Unterschiede und Schwächen einfach weggedrückt werden, anstatt sie zu tolerieren, anzunehmen, wertzuschätzen und jedem Kind Zeit für individuelle Entwicklung zu lassen.

Deshalb wollen wir diese neue Schule, in der die Kinder länger gemeinsam lernen! Deshalb wollen wir eine Schule, die endlich einer modernen, demokratischen und sozialen Gesellschaft angemessen ist, und die nicht den Klassenverhältnissen aus dem 19. Jahrhundert verhaftet bleibt! (...)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Ich möchte Euch recht herzlich bitten, von Eurem demokratischen Recht Gebrauch zu machen und am 18. Juli mit "Ja" für die Vorlage der Bürgerschaft zu stimmen.

Euer

Mehr Infos zum Thema: www.die-schulverbesserer.de