VON Uta von Schrenk

Es war absehbar. Erstmals seit Einführung des Gesundheitsfonds unter der Großen Koalition steht eine Krankenkasse unmittelbar vor der Insolvenz. Der City BKK mit 200 000 Versicherten droht zum Jahresende die Zahlungsunfähigkeit. Der Grund: Unter ihren Versicherten sind mit über 50 Prozent Rentnerinnen und Rentnern überdurchschnittlich viele kranke und alte Mitglieder - das macht alles in allem einen akuten Finanzbedarf von rund 50 Millionen Euro.

Der Anfang 2009 eingeführte Gesundheitsfonds muss mindestens 95 Prozent der durchschnittlichen Kassenausgaben decken. Kassen, die mit den Fondsmitteln nicht auskommen, können einen Zusatzbeitrag von ihren Versicherten einfordern. Der kann bisher bis zu ein Prozent des beitragspflichtigen Einkommens oder ohne Einkommensprüfung bis zu acht Euro im Monat betragen. Darüber hinaus gibt es keine Möglichkeit für die Kasse, ihr Defizit auszugleichen. Einen Kredit darf sie nicht aufnehmen. Gerade kleine Kassen können aufgrund der neuen Finanzierungsstruktur schnell in eine Schieflage geraten.

Wer kann, fusioniert

Bei ver.di geht man daher davon aus, dass es im Laufe des nächsten Jahres noch mehr Kassen treffen wird. "Diese Entwicklung ist programmiert", sagt Herbert Weisbrod-Frey, bei ver.di zuständig für Gesundheitspolitik. Wenn sich bei der Finanzausstattung der gesetzlichen Krankenversicherung nichts tue, drohe eine "ganze Reihe von Schließungen". Die gesetzlichen Kassen werden 2011 voraussichtlich ein Defizit von rund elf Milliarden Euro erwirtschaften, hat das Bundesversicherungsamt berechnet. "Wer kann, der fusioniert. Wer keinen Partner findet, muss schließen", sagt Weisbrod-Frey.

Auch für Jochen Berking, Bereichsleiter Sozialversicherung bei ver.di, ist der Fall City BKK "nur der erste Dominostein, der fällt". Insolvenzgefahr haben bereits die BKK Heilberufe und die Gemeinsame Betriebskrankenkasse Köln (GBK) beim Bundesversicherungsamt angemeldet, weitere Meldungen stehen unmittelbar bevor, wird in der Branche befürchtet.

Diese Entwicklung war politisch gewünscht. Derzeit gibt es in Deutschland noch rund 160 Krankenkassen - die schwarz-rote Bundesregierung hielt eine Kassenlandschaft mit 30 bis 50 Anbietern für ausreichend und hat mit der Organisationsreform der Krankenkassen 2007/2008 entsprechend die Insolvenz einer Kasse gesetzlich überhaupt erst möglich gemacht. "Die neoliberale Bundesregierung setzt dies jetzt mit Nachdruck um, mit der Zielsetzung, scheinbar das System der Gesetzlichen Krankenversicherung zu privatisieren", sagt Berking. Zuvor konnte eine Kasse als Körperschaft des öffentlichen Rechts, also quasi staatliche Institution, nicht pleite gehen.

Schutz bleibt erhalten

Für die Versicherten hat die Schließung ihrer Kasse akut keine negativen Folgen - bis auf den bürokratischen Aufwand, zu einer anderen Kasse wechseln zu müssen: Der Versicherungsschutz bleibt erhalten, anstehende Behandlungen werden bezahlt und andere Kassen sind verpflichtet, die betroffenen Versicherten aufzunehmen. Doch mittelbar hat eine Versicherungsstruktur, bei der nur große Kassen übrig bleiben, durchaus Folgen für die Patient/innen: Der Service wird sich verändern. "Wohnortnahe und persönliche Betreuung wird in einem solchen System unwirtschaftlich - dabei wünschen sich gerade ältere Versicherte eine persönliche Beratung", sagt Weisbrod-Frey.

Unmittelbar betroffen von der drohenden Insolvenz sind zunächst einmal die Kassenmitarbeiter/innen. "Wenn die Politik jetzt nicht handelt, dann sind es wieder einmal die Beschäftigten, die eine verfehlte Gesundheitspolitik auszubaden haben", sagt Berking. Bereits mit der Budgetierung der Verwaltungskosten im Gesundheitsfonds sei der komplette Finanzdruck des Systems an die Belegschaften bei den Krankenkassen weitergegeben worden, kritisiert der Kassen-Experte.