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Carlos, der Schakal | Er war schon mit Anfang 30 der meist gesuchte Mann der Welt: Carlos, Schlüsselfigur des internationalen linken Terrorismus in den 70er und 80er Jahren und schon zu Lebzeiten ein Mythos. Doch ist dieser Mann trotz Che-Guevara-Aura weniger ein Idealist als ein kaltblütiger Manager, der organisierte Gewalt zum Business macht, unter Rückendeckung der Stasi für osteuropäische Geheimdienste arbeitet, sich geschickt mit der arabischen Welt vernetzt, Millionen scheffelt, bis ihn nach Ende des Kalten Krieges alle fallen lassen. Eine solch komplexe Biografie lässt sich nicht auf ein gewöhnliches Kinoformat zusammenstutzen. Selten sind jedoch fünfeinhalb Stunden so im Fluge vergangen, denn zeitgeschichtlich ungemein packend und grandios besetzt ist dieser Film. kl

FD 2010. R: OLIVIER ASSAYAS. D: ÉDGAR RAMÍREZ, NORA VON WALDSTÄTTEN, CHRISTOPH BACH, JULIA HUMMER, U. A. 335 Min.


In Ihren Augen | Erinnerungen an eine Sexualmordermittlung, in einer Bürokratie geschnürter Aktenhäufchen inmitten getäfelter Schreibstuben. Ein kafkaeskes Thrillerszenario, gäbe es nicht dieses anarchische Team von Justizbeamten, die während der Arbeitszeit in die Stammkneipe oder zu Selbstjustiz-Einsätzen schreiten. Mit kunstvollen Dialogen und witzig menschelnden Szenen zeigt sich der im Perón-Argentinien spielende Oscar-Gewinner als ebenso vielschichtiges wie spannendes Meisterwerk: Büroliebe, Männerfreundschaft und Hoffnung auf zweite Chancen werden verknüpft mit Korruption und Vergewaltigung. Die mitreißende Besetzung schafft es, trotz des Brutalsten, was sich Menschen antun können, ein Happy End herbeizuführen. jv

ARG/E 2009. R: JUAN JOSÉ CAMPANELLA. D: RICARDO DARIN, GUILLERMO FRANCELLA, SOLEDAD VILLAMIL, 129 MIN., KINOSTART: 28. 10. 10