Maria Kniesburges ist Chefredakteurin der ver.di PUBLIK

Manche Kennzeichnung oder auch Bezeichnung ist mindestens irreführend, wenn nicht gar völlig abwegig. So etwa der schöne Titel Verbraucherminister oder auch -ministerin. Das haben die Damen und Herren, die als solche derzeit in der Europäischen Union tätig sind, gerade wieder zweifelsfrei unter Beweis gestellt. Nach jahrelangem Hin und Her, bei dem die Ministerialbeamten hauptsächlich mit der Abwehr von Einwänden der Verbraucherschützer und Ernährungsexperten beschäftigt waren, haben die EU-Verbraucherminister sich Anfang Dezember auf eine neue Lebensmittel-Kennzeichnung geeinigt. Und die wird jetzt als großer Fortschritt gefeiert.

Wer aber nun meint, er könne nächstens schon auf einen Blick erkennen, welches Jogurth-Töpfchen im Supermarkt-Regal mit besonders vielen der gemeinen Kalorien, Fette und Zuckerwerte angereichert ist, der irrt gewaltig. Denn wer hat beim Einkauf schon immer einen Rechner dabei? Den allerdings braucht es, um die künftig auch weiterhin sorgsam verschlüsselten Maßangaben etwa zu Salzgehalt und anderen Gefährdungspotentialen auf den meist lecker verpackten Lebensmitteln berechnen zu können. Und das wiederum schafft nur, wer das Kleingedruckte hinten auf der Packung überhaupt entziffern kann. Schriftgröße 1,2 Millimeter - so haben es die EU-Verbraucherminister festgelegt. Es soll wohl nicht alles, was den Appetit verdirbt, gleich so auffällig sein.

Bedenkenlos abgelehnt haben die so genannten Verbraucherminister zugleich die einfache Lebensmittel-Ampel, die mal auf Rot, mal auf Gelb und mal auf Grün stehen kann - und auch den Kindern schon eindeutige Signale sendet. Die Verbraucherschützer haben für die Ampel gekämpft, aber die Industrielobby war wieder einmal stärker. Übrigens: Die neue Lebensmittel-Kennzeichnung soll laut EU-Ministern gegen die grassierende Fettleibigkeit in Europa wirken. Ist in Wahrheit aber wohl eher auf fette Gewinne getrimmt - für die Lebensmittelindustrie.