Alles natürlich

gehen blühen fließen | Was ist eigentlich Natur? Die Felder, auf denen wir unser Getreide anbauen? Der Wald, in dem der Jäger Wild erlegt? Oder der Tsunami, der ganze Küstenstreifen verschlingt? Die Sonne, der Mond? In jedem Fall ist die Natur ein Phänomen. Die Kulturlandschaft ebenso wie der letzte Rest Dschungel auf Borneo. Spätestens als die Menschheit begann, sich den Blick auf die Natur durch Hütten, Dörfer und Städte zu verstellen, nahm auch die Auseinandersetzung mit ihr ihren Lauf, mit ihrer Kultivierung ging ihre künstlerische Eroberung einher. Und sei es nur, um festzuhalten, was einmal war.In Kiel wurde unlängst eine kleine ambitionierte Ausstellung eröffnet, die sich mit dem künstlerischen Verhältnis zur Natur auseinandersetzt. So hat zum Beispiel das Künstlerduo Franziska und Lois Weinberger ihren inzwischen 15 Jahre alten, tragbaren Garten zur Stadtgalerie gebracht. Pflanzen und Stauden in Säcken, leicht zu verladen und transportabel. Eine Installation, die auch praktisch Schule macht: In Berlin überwintern in solchen Säcken derzeit die Prinzessinnengärten in einer Kreuzberger Markthalle, als wolle sich die Natur ein Stück Raum zurückerobern.Gerade die Bedrohung der Natur durch die Umwelt nimmt in der zeitgenössischen Kunst einen großen Stellenwert ein. Und doch stand schon immer und steht hinter der Auseinandersetzung mit der Natur die Suche nach einer eigenen künstlerischen Formensprache. So taucht Dorothy Cross nackt in einem See mit Quallen, um nicht mehr und nicht weniger als die Ähnlichkeiten der Körperformen zwischen Mensch und Wasserlebewesen aufzuzeigen. Alles geht, alles blüht, alles fließt in ihrem Video, wie es auch der Titel der Ausstellung nahelegen will, während in Nanae Suzukis Blütenstillleben schon alles vergeht und verblüht. Weil zur Natur unweigerlich die Vergänglichkeit dazu gehört. Das kennzeichnet letztendlich auch den künstlerischen Prozess. Immer ist ein Werk im Werden, im Entstehen, im Fließen. Ein besonders schönes Beispiel in der Kieler Stadtgalerie unter den Arbeiten von 22 Künstler/innen ist deshalb auch das Bild Der Liebesstreit in einem Traum von Miron Schmückle. Ein Herz aus Blütenkelchen ringt um seine Verbindungen. Es ist nicht mehr klar, wo etwas fließt, wo etwas blüht. Es ist die reinste Konfusion. So ist das mit der Liebe – und manchmal dann auch mit der Natur und der Kunst. Petra WelzelSTADTGALERIE KIEL, NEUES RATHAUS, ANDREAS-GAYK-STR. 31, DI/MI/FR 10–17, DO 10–19, SA/SO 11–17 UHR, BIS 3. APRIL


Felix Gonzales-Torres | Eigentlich muss man sich diese Ausstellung mehrmals anschauen. Nicht weil sie derart umfangreich ist, dass man unmöglich alles in einer Besichtigung erfassen kann. Vielmehr ist das Werk des bereits 1996 mit 38 Jahren verstorbenen amerikanischen Künstlers mit kubanischen Wurzeln auf ständige Veränderung angelegt. Seine Installationen aus Papier, Glühlampen, Uhren und anderen Alltagsgegenständen bespielen konkret den Raum, in dem sie aufgebaut werden. Zwar kann das Felix Gonzales-Torres heute nicht mehr selbst, aber das tut seinen Werken keinen Abbruch. Sind sie doch selbst auf den Eingriff ausgerichtet. Papiere zum Mitnehmen, Bonbons für Zwischendurch oder Schalter, die bedient werden wollen – der Betrachter ist immer im Bild. Und diese Bilder werden nun ab dem 18. März täglich verändert, von einem anderen Künstler. Besser lässt sich nicht erfahren, was Kunst mit einem macht. Man muss nur mindestens zweimal hingehen. pewe

MUSEUM FÜR MODERNE KUNST, DOMSTR. 10, FRANKFURT/M., DI–SO 10–18, MI 10–20 UHR, BIS 25. APRIl


Moneta | Frauen in Deutschland verdienen nach wie vor rund ein Viertel weniger als Männer, ihre Durchschnittsrente liegt noch immer um 500 Euro, also nahezu auf Hartz-IV-Niveau. Grund genug für 60 Künstlerinnen, sich im Frauenmuseum Bonn mit dem Thema Frauen und Geld auseinanderzusetzen. Und als läge es an ihnen selbst, dass die Verhältnisse sind wie sie sind, sind die Künstlerinnen Unternehmerinnen in der Sache geworden. Teils drucken sie jetzt ihr eigenes Geld, andere entwickeln ein ganz neues Geldsystem, in dem Ungleichheiten in der Bezahlung und der Altersvorsorge per se ausgeschlossen sind. Wieder andere haben sich erfolgreiche Unternehmerinnen zum Vorbild genommen oder ihre Arbeit gleich in Gold aufgewogen. In ihrer Gesamtheit spricht aus allen Werken, dass sozialpolitische Maßnahmen das Muss der Stunde und Gegenwart sind. Das ist auch für einige der beteiligten Künstlerinnen eine dringende Notwendigkeit, denn von ihrer Kunst allein können auch sie nur bedingt leben. pewe

FRAUENMUSEUM BONN, IM KRAUSFELD 10, DI–SA 14–18, SO 11–18 UHR, BIS 3. APRIL