Gegenwehr von Selbstständigen: Freie Lehrkräfte werden miserabel bezahlt

Karl Kirsch

Von Birgit Tragsdorf

SACHSEN, SACHSEN-ANHALT, THÜRINGEN | Prekäre Beschäftigung lässt zuerst an Leiharbeit, Minijobs und Teilzeit und an befristete Stellen denken: In Deutschland arbeiten 22 Prozent der Beschäftigten, das sind 6,5 Millionen Menschen, für einen Niedriglohn. 1,3 Millionen von ihnen beantragen zusätzlich Hartz IV (DGB, 2010).

Das Prekariat ist zunehmend aber auch ein Problem der Selbstständigen, der Soloselbstständigen. 2,3 Millionen sind es in Deutschland, etwa eine Million arbeiten in ver.di-Branchen, Tendenz steigend. Es sind Künstler/innen, freie Dozent/innen, freie Musiklehrer/innen, freiberufliche Journalist/innen - viele von ihnen leiden unter miserabler Bezahlung. Aber auch Beschäftigte im wissenschaftlichen Mittelbau an den Unis und Hochschulen gehören dazu: Drei Viertel der wissenschaftlichen Mitarbeiter/innen haben befristete Verträge und davon wiederum arbeitet die Hälfte noch in Teilzeit.

Karl Kirsch unterrichtet Deutsch als Zweitsprache und leitet Integrationskurse. Zu Hause ist er in der Nähe von Dessau. Er wehrt sich dagegen, dass er und seine Kolleg/innen in der Weiterbildung und den Integrationskursen nicht von ihrer Arbeit leben können. In diesem Januar hat er mit 13 Mitstreiter/innen einen Arbeitskreis für freie Dozent/innen gegründet. Gestartet sind sie in Sachsen-Anhalt und planen, für den gesamten ver.di-Landesbezirk ein Netzwerk aufzubauen. Sie wollen aus dem Teufelskreis der prekären Beschäftigung heraus, und da müssen sie einiges tun, denn ihr Gegenüber ist auch der Bundesinnenminister. Der erklärte auf eine Anfrage dazu im Bundestag, "dass das Hauptinteresse eindeutig darin liegen müsse, möglichst viele Interessierte an den Kursen teilnehmen zu lassen und nicht, eine möglichst gute Bezahlung der Lehrkräfte zu ermöglichen". 2010 gab es bundesweit 15683 Lehrkräfte mit Zusatzqualifikation, davon sind 13310 weiblich.

Was ist nun so prekär an ihrer Arbeit? Karl Kirsch erklärt es: Der Honorarsatz für eine Unterrichtsstunde liegt im Osten bei durchschnittlich 15 Euro. Arbeiten dürfen die Dozent/innen maximal 25 Stunden in der Woche. So schreibt es das Bundesinnenministerium vor. Die Vor- und Nachbereitungszeit erledigen sie kostenlos, ihre Weiterbildung auch. Bei den Sozialversicherungen sind sie ebenfalls benachteiligt. Freie Dozent/innen zahlen unabhängig vom Einkommen einen festen Satz für die Kranken- und Rentenversicherung - und zwar den Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteil. Eine Vollzeitstelle bringt ihnen dann nach allen Abzügen etwa 600 Euro Nettoeinkommen. Arm trotz Arbeit ist da das Fazit.

Lehrer und Lernende werden diskriminiert

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) ist Auftraggeber für die Integrationskurse, es zahlt nur 2,35 Euro pro Unterrichtseinheit und Teilnehmer, und bei einer festgelegten Teilnehmerzahl von maximal 16 gibt es keinen Spielraum für Aufstockung. Ministerium und Bundesamt schieben den Bildungsträgern die Verantwortung zu: Es besteht Vertragsfreiheit zwischen den Trägern und den Lehrkräften, so die offizielle Lesart. Karl Kirsch empört das: Arbeitslose und Ausländer werden von schlecht bezahlten Lehrer/innen unterrichtet. Das diskriminiert Lehrer und Lernende.

Nicht nur private Bildungsträger, auch die Volkshochschulen bieten diese Kurse an und können ihren Dozent/innen kaum mehr als 15 Euro zahlen. Deswegen bemühen sich ver.di und auch die GEW, an die Gesetzgeber heranzugehen und dort eine andere finanzielle Ausstattung dieser kommunalen Pflichtaufgaben zu erreichen. Die Gewerkschaften fordern ein Mindesthonorar von 25 Euro, Urlaubsanspruch, Honorarfortzahlung im Krankheitsfall und bezahlte Fortbildungen. Durchgesetzt werden kann dies für die sehr vereinzelt arbeitenden Dozenten nur über Netzwerke. Im ver.di-Landesbezirk gibt es eine Kommission für Selbstständige. Sie ist im Fachbereich 8, Medien, Kunst und Industrie, angesiedelt und betreut Selbstständige aller Fachbereiche.

Netzwerke und Beratung:

Mediafon.net

netzwerk-weiterbildung.info

daz-netzwerk.de

Kontakte:

Arbeitskreis freie Dozent/innen:

karlkirsch@gmx.de

Fachbereich 8: 0341/52901281

gabriele.leonhardt@verdi.de