Das Bundesverkehrsministerium will die Wasserstraßen bewusst zugunsten ihrer privaten Klientel verfallen lassen. Mehrere tausend Arbeitsplätze stehen auf dem Spiel

von Werner Rügemer

Es herrscht Angst. Die 13300 Beschäftigten der Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes (WSV) wissen nicht, was auf sie zukommt. Verkehrsminister Peter Ramsauer, CSU, hat auch Angst und wirft mit Maulkörben um sich. Nichts Konkretes aus seinen Plänen soll vorzeitig durchsickern. Er hat die Direktionen und Ämter der WSV dazu verdonnert, "zunächst bis zum 30. April 2011" alle Besuche von Bundestagsabgeordneten abzuwimmeln. "Ein Affront, frei gewählten Bundestagsabgeordneten den Kontakt mit der WSV-Verwaltung in ihrem Wahlkreis zu verbieten", empört sich Walter Lischka, SPD, Abgeordneter aus Magdeburg. Der WSV-Standort Magdeburg mit 750 Beschäftigten ist akut gefährdet.

Die Bundesregierung will die WSV von einer Durchführungsverwaltung zu einer Gewährleistungsverwaltung umkrempeln. Das bedeutet im Klartext: Mehrere Tausend Arbeitsplätze sollen abgebaut werden, der Staat soll die Aufgaben an Privatunternehmen vergeben und die Durchführung nur noch "gewährleisten". Die bisher auf die sieben Direktionen, 46 Ämter und 141 Außenbezirke verteilte Verwaltung soll zentralisiert werden. Und die Flüsse werden in eine Rangfolge gebracht, je nachdem wie viel Tonnen Güter jährlich auf ihnen transportiert werden: Vorrangnetz (ab 10 Millionen Tonnen pro Jahr), Hauptnetz (ab 5 Millionen), Ergänzungsnetz (ab 3 Millionen), Nebennetz (ab 1 Million), Randnetz (ab 0,1 Million), Wassertourismusnetz (Personenschifffahrt), Restwassernetz (ohne Bedeutung für Verkehr und Tourismus).

Elbe und Saar sollen abgehängt werden

Nur das Vorrangnetz soll noch ausgebaut und auf hohem Niveau und 24 Stunden rund um die Uhr betrieben werden. Für Haupt−, Ergänzungs- und Nebennetz steht lediglich eine "Bestandserhaltung" an, für das Randnetz gilt nur noch "Verkehrssicherungspflicht", und die Restwasserstraßen sollen entwidmet, also stillgelegt oder auf private Dritte übertragen werden. Das bedeutet: Rhein, Donau, Mosel und Mittellandkanal werden ausgebaut, aber Elbe und Saar zum Beispiel abgehängt. Das träfe vor allem den gewerblichen Mittelstand. Lahn und Leine werden an die Bundesländer oder an Private abgegeben, nach dem Prinzip der "Nutzerfinanzierung". Das heißt: Bootsfahrer und Touristenschiffer sollen "ihren" Fluss selbst betreiben.

Mithilfe eines Kienbaum-Gutachtens wurde schon seit 1995 in diese Richtung "reformiert". Von den 17 300 Arbeitsplätzen in 1993 wurden seitdem 4 000 abgebaut, die Vergabe an Privatunternehmen wurde ausgebaut. Doch das Verkehrsministerium gibt in seinem Bericht vom 24. Januar 2011 an den Haushaltsausschuss des Bundestages selbst den "Substanzverlust bei der Infrastruktur" zu. Schleusen sind überaltert und erfordern ständig teure Reparaturen. "Unauskömmliche Investitions- und Sachmittelausstattung und fehlendes Fachpersonal... hat zur Folge, dass das Netz an vielen Stellen Restriktionen aufweist und die wirtschaftliche Befahrbarkeit z. T. erheblich einschränken", ist in dem Bericht zu lesen.

Ministerium gesteht Fehler, handelt aber nicht

Auch die Vergabe an Dritte ist ein Fehlschlag, gibt das Ministerium zu. Im Ergebnis ist sie teurer und schlechter, denn die Privatunternehmen können nicht ausreichend kontrolliert werden, liefern schlechte Qualität und erheben hohe Nachforderungen. Trotzdem wollen die Privatisierungs-Ideologen so weitermachen, und zwar noch radikaler. Ausführendes Personal soll abgebaut, für die Vergabe qualifiziertes Personal soll erweitert werden, um noch mehr Aufträge an private Dritte vergeben zu können.

Die Flüsse und Kanäle werden nur noch unter ihrer Bedeutung als Transportwege gesehen. Damit trennt sich die Regierung bewusst von ökologischen Zielen. "Das Ziel, den Anteil des Gütertransports auf den Wasserstraßen zu steigern, wird in nachrangigen Netzteilen aufgegeben." Auch das ist in dem Bericht des Ministeriums nachzulesen. Aber auch volkswirtschaftliche Schäden nehmen die Verkehrsstrategen in Kauf. Die Elbe würde vernachlässigt, obwohl sie für Maschinen- und Anlagenbauer in Sachsen und Thüringen als Transportweg zu den Seehäfen notwendig ist. Ähnlich ist es etwa an der Saar. Der saarländische Ministerpräsident Peter Müller protestiert ebenso wie die IHK Neubrandenburg. "Das ist Ramsauers Abwrackkarte", kritisiert der Bundesverband der Deutschen Binnenschifffahrt.

Und das ist die WSV

Die Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung (WSV) untersteht dem Bundesministerium für Verkehr. Sie ist zuständig für die 7350 Kilometer Binnenwasserstraßen (Rhein, Donau, Elbe, Neckar, Main, Saale, Lahn, Mittellandkanal etc.) und 23000 Quadratkilometer Seewasserstraßen (Zufahrten zu den Seehäfen Hamburg, Rostock u.a.). Die Beschäftigten verteilen sich regional auf sieben Direktionen, 46 untergebene Ämter mit 141 Außenbezirken, Bauhöfe und Bundesanstalten für Wasserbau, Gewässerkunde, Seeschifffahrt und Hydrografie. Aufgaben: Unterhaltung, Betrieb und Neubau der Wasserstraßen mit Schleusen, Wehren, Schiffshebewerken, Kanalbrücken, Talsperren und Schifffahrtszeichen. Als Strompolizei und Bauaufsicht sorgt die WSV für Sicherheit und Bauüberwachung. Fahrrinnen ausbaggern, Ufer befestigen, Schleusen reparieren, Treibgut entfernen, Hochwasserschutz – es fallen viele spezialisierte Aufgaben an. Die WSV unterhält eine Flotte an Spezialschiffen für den Einsatz bei Öl- und Chemieunfällen, für Notschleppung und Schiffsbrand-Bekämpfung. 1993 hatte die WSV 17300 Tarifbeschäftigte, gegenwärtig sind es noch 13300, hinzukommen 1100 Auszubildende.