Gruppenbild mit Preisträgern

Wir können auch anders, haben sich die Kolleginnen und Kollegen des Fachbereichs Handel gesagt, als sie im August vergangenen Jahres die Kampagne "Handel(n) ausgezeichnet" starteten. Nicht immer nur die schwarzen Schafe an den Pranger stellen, auch mal positive Ansätze würdigen, das war die Devise. Jetzt durften zum ersten Mal Geschäftsführer und leitende Angestellte großer Handelshäuser den von der Kampagne gestifteten Preis öffentlich entgegennehmen. Der ver.di-Vorsitzende Frank Bsirske war auf den Gerhart-Hauptmann-Platz in die Hamburger City gekommen, um die Auszeichnungen persönlich zu überreichen.

"Erst dachten wir ja, wir sollten so etwas wie die saure Himbeere bekommen, doch dann war uns schnell klar, dass ver.di es ernst meint", sagte der Real-Vertriebsleiter Nord, Hartmut Rexilius, als Reaktion auf die Laudatio, während er stolz den gläsernen Pokal mit dem Bronzefuß in die Höhe hielt. So viele Arbeitgebervertreter sind selten so gern und gemeinsam einer Einladung der Gewerkschaft gefolgt wie an diesem sonnigen Gründonnerstag. Neben Real gehören Max Bahr, Toom, Rewe, Penny, BonPrix, die Buchhandlung Thalia, Karstadt und Kaufhof zu den Preisträgern. Was sie vom Rest der Handelsunternehmen unterscheidet? Sie erfüllen die von ver.di aufgestellten Mindestkriterien. Die sind: Zahlung eines Tarifgehaltes, Eingruppierung entsprechend dem Tarifvertrag, Zahlung von Mehrarbeits-, Spät- und Nachtzuschlägen nach Tarif, das Unternehmen muss ausbilden und einen Betriebsrat haben.

Hohe Ansteckungsgefahr

Arno Peukes, ver.di-Fachbereichsleiter Handel in Hamburg und Initiator der Kampagne, stellt klar, dass die Auszeichnung nur ein Anfang sein kann. Nach oben hin ist noch viel Luft, wie schon durch den Pokalfuß in Bronze angedeutet wird. So hofft Renate Nazli, Betriebsrätin bei Schlecker, dass auch ihr Unternehmen sich von dem positiven Image-Effekt der Kampagne anstecken lässt, demnächst Ausbildungsplätze anbietet und alle Beschäftigten nach Tarif bezahlt. Karstadt-Betriebsrat Joachim Dürbaum kann sich vorstellen, dass auch Arbeits- und Gesundheitsschutz sowie Betriebsklima in Zukunft in den Kriterienkatalog aufgenommen werden.

Die Kampagne versteht sich jedoch nicht als reine Gewerkschaftsveranstaltung. Sie soll offen sein zum Beispiel für Kirchen und Fair-Trade-Organisationen, betont Peukes. Vor allem setzt sie auf die Macht der Verbraucher. Es sei ein Irrtum zu glauben, dass die Einhaltung von Tarifverträgen höhere Preise nach sich zieht. Das habe ein breit angelegter Vergleich im Hamburger Einzelhandel gezeigt, erklärt der Fachbereichsleiter. Seit dem 1. Mai können sich Verbraucher auch auf der Internetseite www.handel-ausgezeichnet.de informieren, wo sie nicht nur günstig einkaufen können, sondern auch, wie sie Betriebe mit fairen Arbeitsbedingungen unterstützen. Seit dem 1.Mai steht allerdings auch die Kampagne still. "Jetzt widmen wir uns erst einmal der Tarifrunde. Danach geht es weiter", kündigt Arno Peukes an.

Mathias Thurm