Konflikt unter Schwestern

KONKRET JULI 2011 Als Mitte der siebziger Jahre die Massenarbeitslosigkeit begann, eröffneten einige Gewerkschaften - insbesondere die IG Metall und die damalige IG Druck und Papier - eine Offensive für Arbeitszeitverkürzung mit Lohnausgleich. Der letzte große Streik in diesem Zyklus fand 1984 statt, und es wurden sogar Erfolge erzielt: je nach Branche 35 oder 38,5 Stunden. [...]

Anfang der neunziger Jahre lief diese Bewegung allmählich aus. In dem Maße, in dem sich Kapital aus der Produktion in die Finanzindustrie zurückgezogen hatte, waren die Kampfbedingungen für die Gewerkschaften schlechter geworden. Einige arrangierten sich. Die IG Metall und insbesondere die IG Bergbau, Chemie, Energie erwecken mittlerweile den Eindruck, als sei ihnen die Förderung der Exportfähigkeit der Unternehmen ihrer Branchen auch durch niedrige Steuern und Abgaben wichtiger als der Kampf ihrer Schwestergewerkschaft Verdi um eine bessere finanzielle Ausstattung des Öffentlichen Dienstes.


In der Defensive

STUTTGARTER ZEITUNG 20. JUNI 2011 Ende Juni beginnen die Sommerferien in den ersten Bundesländern. Dies müssen die Gewerkschaften berücksichtigen, wenn sie jetzt Tarifverhandlungen forcieren wollen. Mit Rumpf-belegschaften ist kein Streik zu führen, und die Mitglieder nach der Sommerpause neu zu mobilisieren ist auch nicht leicht. Also mühen sich die Unterhändler, noch vor den Ferien zum Abschluss zu kommen. Verdi kämpft derzeit an mehreren Fronten. In allen Fällen sieht sich die Gewerkschaft massiven Gegenforderungen der Arbeitgeber ausgesetzt - trotz des Konjunkturhochs. Verdi hat Mühe, dies abzuwehren.


Komfortable Zeit

FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG 11. JUNI 2011 In der aktuellen Tarifrunde Einzelhandel ist es der Gewerkschaft Verdi gelungen, eine kräftige Lohnsteigerung auszu-handeln. Drei Prozent im ersten und weitere zwei Prozent im zweiten Schritt plus Einmalzahlung und mehr Urlaub - das ist nur deshalb nicht ganz so üppig wie etwa der Abschluss in der chemischen Industrie, weil der Einzelhandel tatsächlich etwas weniger stürmisch wächst. Es ist aber genug, um zu beweisen, dass der Aufschwung für die Gewerkschaften aus tarifpolitischer Sicht eine komfortable Zeit ist.


Lob für die Gewerkschaften

FRANKFURTER ALLGEMEINE SONNTAGSZEITUNG 5. JUNI 2011Die Deutschen sind sich ziemlich einig: Gewerkschaften sind wichtige Institutionen. 39 Prozent der Bürger erkennen an, dass die Gewerkschaften viel für die Interessen der Arbeitnehmer tun, 37 Prozent der Befragten halten Arbeitnehmerorganisationen für wichtig, finden aber, sie sollten moderner werden. Nur zehn Prozent der Deutschen denken, dass Gewerkschaften heute grundsätzlich überholt sind. Das Ergebnis bestätigt die Strategie der Gewerkschaften in den letzten fünf Jahren. Ihre Anerkennung ist seit 2006 deutlich gestiegen.


Ende eines verrückten Projekts

SÜDDEUTSCHE ZEITUNG 8. JUNI 2011Die Vereinigungsfreiheit hat den Rang eines Grundrechts - und sollte mal eben zur Makulatur erklärt werden. Was war hier eigentlich skurriler: das Vorgehen von Arbeitgebern, die Wettbewerb verbieten lassen wollten (wenn natürlich auch nur den zwischen Arbeitnehmern)? Oder war es die Gedankenlosigkeit von Gewerkschaftern, denen nicht mehr klar zu sein scheint, welche Errungenschaft die Vereinigungsfreiheit doch ist, und wie viele ihrer Kollegen in vielen Ländern der Welt sie darum beneiden?