In der Regel Streik

DER FREITAG 24. JANUAR 2012 Fehlt den Gewerkschaften Kampfgeist?

Wir haben in den letzten zehn Jahren im verdi-Bundesvorstand keine Sitzung gehabt, wo wir nicht mindestens drei bis fünf Streikbeschlüsse gefasst haben. Die Regel sind acht bis fünfzehn Streikbeschlüsse für jede Bundesvorstandssitzung. Wir haben lange und harte Arbeitskämpfe geführt. Nur die Fähigkeit zum Streik hat uns überhaupt in die Lage versetzt, uns zu behaupten, Lohnerhöhungen durchzusetzen beziehungsweise uns gegen die weitere Absenkung von Lohnniveaus zu wehren.

Frank Bsirske, ver.di-Vorsitzender


Es geht um Gerechtigkeit

SÜDDEUTSCHE ZEITUNG, 14. FEBRUAR 2012

Es zeichnet sich in Deutschland im Moment immer klarer ab, dass harte Tarifverhandlungen bevorstehen. Es geht um Gerechtigkeit, um die faire Verteilung von Unternehmensgewinnen und Arbeitnehmereinkommen. Umso wichtiger ist es, dass sich die Politik mit Empfehlungen zurückhält. Zumal Arbeitgeber und Gewerkschafter die Lage ihrer Branchen ohnehin viel besser beurteilen können als viele in Berlin.


Was ist der gerechte Lohn?

HANDELSBLATT, 13. FEBRUAR 2012

Verdi-Chef Frank Bsirske ist nicht der weitsichtigste, aber der lautstärkste deutsche Gewerkschaftsboss. Es müsse Schluss sein mit einer Lohnpolitik, die sich "verfehlten Spardiktaten" unterordne, sagte er [...] So gehe es nicht weiter: "Wir wollen ein gemeinsames starkes Zeichen setzen für Lohnerhöhungen in Deutschland." Damit begründete Bsirske nicht nur die neue Tarifforderung im öffentlichen Dienst - [...] Er verkündete damit auch eine Art übergeordnete Mission: Verdi kämpfe Seit' an Seit' mit der IG Metall und anderen Gewerkschaften für einen generellen Kurswechsel: weg von der Lohnzurückhaltung und hin zu stärkeren Lohnsteigerungen in Deutschland. Tatsächlich hat das Frühjahr 2012 alles, was eine wuchtige Tarifbewegung benötigt: In einer Serie von Tarifrunden werden binnen weniger Wochen die Löhne von fast acht Millionen Arbeitnehmern neu verhandelt.


Hier haben viel mehr was zu melden

FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG, 10. FEBRUAR 2012

So hart er sich bisweilen auch gibt: Der Teetrinker Bsirske, der schon durch seinen der KPD nahestehenden Vater früh politisch zu denken begann, kann auch sehr gewinnend sein und rhetorisch brillieren. Und nicht zuletzt hat die Art, wie er Verdi führt und in Tarifrunden auftritt, auch viel damit zu tun, dass diese Gewerkschaft eben ein ganz anderer Kosmos ist als die Chemiegewerkschaft IG BCE oder die IG Metall. Verglichen mit diesen beiden ist Verdi eine junge Organisation, entstanden 2001 aus dem Zusammenschluss von fünf Einzelgewerkschaften. Entsprechend schwierig ist es für Bsirske, seinen Laden zusammenzuhalten und die teilweise weit auseinander driftenden Interessen seiner gut zwei Millionen Mitglieder zu bündeln. Bei Verdi haben viel mehr Gruppierungen etwas zu melden als in anderen Gewerkschaften. Ein Basta-Regiment kann Bsirske deshalb nicht führen.


Zeit und Geld

NEUES DEUTSCHLAND, 3. FEBRUAR 2012

In der aktuellen Krise des Kapitalismus sollten ver.di, IG Metall und Co. nicht bloß verharren und sich weiter in Abwehrkämpfen ergehen, wenngleich diese meist unverzichtbar sind. Doch hier fehlt neben Mindestlohn, Übernahme und Leiharbeit die Debatte um die Arbeitszeit. Aus den Beschlüssen der Gewerkschaftstage sollten tarifpolitische Taten werden. Daran hängen nicht nur Gesundheit und Gleichberechtigung, daran hängt auch ein Kernbereich gewerkschaftlichen Kampfes überhaupt: Gesellschaftliche Teilhabe und ein gutes Leben. Denn das kostet nicht nur Geld, sondern auch Zeit.