Warum nicht dort den Urlaub günstig verbringen, wo man früher auf Klassenfahrt war? Die 528 deutschen Jugendherbergen haben sich auf Familien, Paare und Alleinreisende eingestellt

Rittermahl und Ritterspiele in der Jugendherberge Schloss Augustusburg

von Edith Kresta

Spielzimmer mit Bälle-Pool, Kinderhochstühle, 50 Kinderbetten, Windeleimer und Strandwächter: In dem 4,5 km langen, grauen Riesenklotz Prora auf Rügen, von den Nazis seinerzeit für Massenurlaub erbaut, ist seit Juli 2011 eine Jugendherberge eingezogen. Das einst geplante "Seebad der 20.000" liegt in bester Strandlage zwischen dem Kleinen Jasmunder Bodden und der Prorer Wiek. Die Jugendherberge hat einen Teil des Blocks V bezogen. Ihr Motto: "Aus grau mach bunt". Das Konzept geht auf: Grün- und orangefarbene Stühle im Speisesaal und neue Anstriche holen Licht und Farbe in die einstige Kaserne.

Willkommen in der Riesenkommune

"Rund 70 Prozent der Gäste hier waren 2011 Familien. Die kommen vor allem in den Ferien", sagt die Pressesprecherin des Deutschen Jugendherbergswerkes Mecklenburg-Vorpommern, Kathrin Röder. "Kratzige Wolldecken, Bettruhe ab 22 Uhr und Graubrot gibt es nicht mehr." Viele Erwachsene, so Röder, hätten noch das Bild ihrer eigenen Klassenfahrten im Kopf - die müsse man "zum Probieren hierher bringen". "Jeder ist willkommen - wir sind eine Riesenkommune", ergänzt der Herbergsleiter, Dennis Brosseit. Und die lebt gesund. Klöße werden in der Küche per Hand geknetet, es wird saisonal gekocht und zehn Prozent der Produkte kommen aus Bio-Anbau.

2011 wurden bundesweit 10.160.591 Übernachtungen in den Jugendherbergen registriert. "Die Gesamtzahl entspricht dem Durchschnitt der vergangenen 20 Jahre mit jeweils mehr als zehn Millionen", sagt Gerhard Koller, Vizepräsident des Deutschen Jugendherbergswerkes, Djh. Im Durchschnitt verbrachte jede/r der mehr als vier Millionen Gäste 2,5 Nächte in einer Jugendherberge. Der gute Zuspruch lässt sich auch an den Mitgliedern ablesen. Dem gemeinnützigen Djh gehören 2,2 Millionen Menschen an. Das sind 93.000 mehr als 2010 und entspricht einer Steigerung von 4,5 Prozent.

Die wichtigste Zielgruppe für Jugendherbergen sind nach wie vor Jugendliche, die aufs Geld schauen müssen. Mit einem Anteil von 40 Prozent bilden Klassenfahrten das größte Gäste-Segment. Trotz allgemein rückläufiger Schüler/innenzahlen bleibt dieser Wert unverändert. Doch es kommen auch immer mehr Ältere, Einzelreisende und Familien. Voraussetzung: Man muss Mitglied beim deutschen Jugendherbergswerk sein. Der Jahresbeitrag für Familien beträgt 21 Euro.

"Gerade Familien nutzen die Herbergen zunehmend für Wochenendtouren und längere Urlaube", sagt Koller. Diese zweitgrößte Gästegruppe legte um rund fünf Prozent zu; ihr Anteil an der Gesamtübernachtungszahl stieg im vergangenen Jahr auf 19,2 Prozent. Neben den ohnehin günstigen Preisen bieten ausgewählte Häuser im Sommer attraktive Pauschalen an. "Mit familienfreundlicher Unterbringung, schmackhafter und gesunder Verpflegung sowie einem spannenden Programm sind Jugendherbergen die richtigen Partner für Eltern mit Kindern, Alleinerziehende mit Kindern, Patchwork-Familien sowie Großeltern mit ihren Enkeln", wirbt das Djh.

Beste Lage mit Blick ins Tal und auf die ganze Stadt. Im Speisesaal gibt es zum gesunden Frühstück mit Müsli und Obst neben Wurst und Käse auch die knusprigen Butterbrezeln. Die Jugendherberge Stuttgart in östlicher Halbhöhenlage und nur 15 Minuten vom umkämpften Hauptbahnhof entfernt, ist ein attraktiver Anlaufpunkt für Besucher. Jugendherbergen haben oft eine hervorragende Lage, manchmal schöne Immobilien und immer einen guten Standard. Und sie sind preisgünstiger als Einsterne-Hotels. Für einen Aufpreis kann - bei ausreichender Kapazität - eine Einzelperson auch ein Zimmer alleine buchen.

Kojen statt Stockbetten

Mit ihren 33 Zwei-Bett-Zimmern ist die Jugendherberge Stuttgart zudem auf durchreisende Paare eingestellt - wenn es nicht gerade eine romantische Liebesreise werden soll. Denn puritanisch-schmale Stockbetten sind bis heute selbst in den familienfreundlichen Häusern die Regel. Aber es gibt Ausnahmen: Etwa die Design-Jugendherberge Berchtesgaden, wo es statt der Stockbetten mittlerweile bunte Schlafkojen gibt.

Aktuell gibt es in Deutschland 528 Jugendherbergen. "Mit durchschnittlich 145 Betten können die modernisierten Häuser jetzt sehr effizient und wirtschaftlich betrieben werden", sagt Stephan Riese, Leiter der Djh-Akademie in Detmold. Gesunde Ernährung, regionale Produkte, effiziente Energienutzung, ökonomisches Wirtschaften - die Jugendherbergen haben sich längst Nachhaltigkeit auf die Fahne geschrieben. "Und wir schulen das Personal in modernem Management", sagt Stephan Riese. "Der Knickerbocker tragende, autoritäre Herbergsvater, das war Vorvorgestern."

Jugendherbergen im Angebot

Die Jugendherbergen in Westfalen-Lippe locken derzeit mit dem Programm "Sechs Tage mit Halbpension". Für Kinder (3 bis 5 Jahre) ab 46,20 Euro, Erwachsene zahlen ab 92,40 Euro. Aktionsangebote halten auch alle Jugendherbergen in Sachsen-Anhalt bereit. Sechs Übernachtungen mit Halbpension sind hier schon ab 48,50 Euro für Kinder (3 bis 14 Jahre) und für 97 Euro für Erwachsene zu haben. "Entspannte Ferientage" bietet die Jugendherberge in Bamberg an. Das bayerische Angebot umfasst sechs Übernachtungen mit Halbpension. Kinder unter 6 Jahren übernachten und essen kostenlos, 6- bis 12-Jährige erhalten 50 Prozent Ermäßigung, Erwachsene zahlen pro Person ab 99,60 Euro.

Informationen: Deutsches Jugendherbergswerk, Hauptverband e.V., Bad Meinberger Str. 1, 32760, Detmold

www.jugendherberge.de