Alles begann an diesem 10. Februar friedlich und freundlich. Die beiden ver.di-Sekretäre Jürgen Krapf und Jürgen Humer wurden für ein kurzes Gespräch ins Büro des Werkleiters begleitet. In wenigen Minuten wollten sie die Betriebsversammlung eröffnen, um einen Wahlvorstand zu wählen. Noch gibt es bei der Firma P-Well in Bad Bentheim nahe der niederländischen Grenze keinen Betriebsrat. Etwa 300 Beschäftigte stellen in dem Werk Wellpappeprodukte her. Einige von ihnen hatten sich an ihre Gewerkschaft gewandt, sie bei der Wahl zum Betriebsrat zu unterstützen.

Bei P-Well, finden sie, geht so einiges schief. Wer wie viel Stundenlohn bekommt, entscheidet allein der Chef. Ebenso wie über die Prämie am Jahresende. Und wer krank war, dem wird ein Teil der Prämie gestrichen. Ungeregelte Pausenzeiten, keine Duschen, zu wenige Umkleideräume, häufig eine Sechs- Tage-Woche - "bei P-Well entscheidet der Chef, wie's ihm gefällt, wir haben kein Mitspracherecht", sagt ein Beschäftigter. Deshalb sollte ein Betriebsrat gewählt werden.

Doch als die beiden ver.di-Sekretäre in die Halle kommen, ist die Versammlung bereits in vollem Gange und die Stimmung aggressiv. P-Well-Leute beschimpfen sie: "Haut ab! Verschwindet! Was seid ihr für Idioten. Ihr habt hier nichts zu suchen. Wir brauchen keine Gewerkschaft." Eine Frau spuckt vor Jürgen Krapf auf den Fußboden, Spritzer von Getränken landen auf seinem Ärmel, die beiden werden umringt, angeschrien, bedroht und schließlich vom Sicherheitsdienst rausgeführt.

Nun entscheiden die Gerichte

Das war von Anfang an inszeniert, ist sich ver.di sicher, um einen Wahlvorstand und letztlich einen Betriebsrat zu verhindern. Das bestreitet P-Well, will sich aber gegenüber ver.di PUBLIK wegen laufender Verfahren nicht äußern. Denn nun entscheiden die Gerichte. In einem Gütetermin vor dem Arbeitsgericht Lingen haben sich ver.di und P-Well auf einen gemeinsamen Wahlvorstand verständigt: zwei von ver.di, drei von P-Well. Die bereiten nun die Betriebsratswahl vor.

Doch friedlich geht es bei P-Well noch immer nicht zu. Die Firma hat Strafanzeige gegen ver.di gestellt und klagt auf Widerruf, Unterlassung und Schadenersatz. Angeblich habe ver.di falsche Behauptungen über P-Well aufgestellt. Und die Gewerkschaft hat Strafantrag wegen Behinderung bei der Einleitung von Betriebsratswahlen gestellt. Denn konstruktiv zeigte sich P-Well nach Ansicht von ver.di nur vor Gericht. Inzwischen hat die Firma fünf Beschäftigten fristlos gekündigt. Fast alle Kollegen hatten sich in einem Streik.TV-Beitrag auf verdi.de kritisch zu den Arbeitsbedingungen geäußert. Sie klagen auf Wiedereinstellung: Sie wollen zurück zu P-Well und endlich einen Betriebsrat wählen.

Michaela Böhm