Ausgabe 03/2012
Zu Besuch im europäischen Wohnzimmer
54 Alltagsgeschichten: Machen Sie es sich bequem
Am Anfang stand eine Parkgarage. Mit einer Fläche von sieben Handballfeldern. Ganz schön klein eigentlich, wenn man bedenkt, dass darauf ganz Europa unterkommen muss. Doch wer einmal ein anderes Bild von Europa sehen möchte als das, welches wir seit Monaten in den Medien serviert bekommen, dem sei ein Ausflug ins "parlamentarium", ins neue Besucherzentrum des Europäischen Parlaments empfohlen. Die Reise nach Brüssel lohnt sich jetzt nicht mehr nur wegen der königlichen Pralinen und der leckeren Fritten.
Mit denen kann man sich immer noch belohnen, nachdem man sich auf den Weg ins europäische Wohnzimmer gemacht und die Geschichten von 54 Europäer/innen angehört hat. Die Frauen und Männer aus den 27 EU-Mitgliedsländern erzählen von ihren Erlebnissen mit der Europäischen Union. Und wie sie die Politik, die in Brüssel gemacht wird, daheim in Finnland oder Polen erleben. Da gibt es den kleinen Bierbrauer aus Tschechien, der sich beim EU-Parlament für die Reinheit seines Gebräus stark gemacht hat. Um ihm zuzuhören, setzt man sich einfach in einen der bequemen Polstersessel vor einen kleinen Bildschirm, stülpt Kopfhörer über und hört zu. Dabei kann der Blick vom Brauer auf das 360-Grad-Europa-Panorama rundherum wandern. Was Geschichten und Bilder vermitteln, ist die Gewissheit, dass Europa bunt und vielfältig ist - allen EU-Normen zum Trotz.
Im Herzen der Ausstellung gelegen, ist das europäische Wohnzimmer der eindrücklichste und nachhaltigste Teil des parlamentariums. Es konfrontiert uns mit unseren Mitbürger/innen, ihren Problemen, aber auch ihren Erfolgen. Ganz ähnlich ist das, wenn man mit Bildschirmen auf Rollen über eine 200 Quadratmeter große Europakarte fährt, an einem von 90 Orten stoppt und über genau diesen Flecken dann einen Bericht auf seinem Rolltisch verfolgt. Häufig werden hier Ereignisse und Situationen geschildert, von denen man bisher kaum eine Ahnung hatte.
Man kann aber auch in einem Schnelldurchgang im EU-Parlament das Geschäft der EU-Abgeordneten verfolgen. Ein weiteres 360-Grad-Panorama sorgt mit Musikuntermalung und Debatten-Mitschnitten für echte Spannung. Auf seinem eigenen EU-Sitz kann man an einem Touchscreen zudem nebenbei exemplarische Fälle durchdringen.
Und das alles in den 23 europäischen Sprachen. Jede/r erhält am Eingang eine Art Smartphone, mit dem man sich in der eigenen Muttersprache durch die Ausstellung bewegt. Damit wird es auch keinem Kind langweilig. Und für Schulklassen gibt es ein ganz besonderes Angebot: In einem Extraabschnitt schlüpfen Kinder in die Rolle von EU-Abgeordneten, die von zuhause ein Anliegen mitgebracht haben. Vom Antrag über die Debatte bis zur Pressekonferenz durchlaufen sie den gesamten Prozess. Mehr als 400 Schauspieler aus allen 27 EU-Ländern haben daran mitgewirkt, damit diese Übung in Politik richtig Spaß macht. Und wer dann noch vom Rest der Welt etwas sehen will, geht zum Manneken Pis, dem Brüsseler Wahrzeichen. Dort ist den ganzen Tag Gott und die Welt versammelt.
Petra Welzel