Christel Hoffmann ist Vorsitzende des Schlecker- Gesamtbetriebsrats

ver.di PUBLIK | Der Insolvenzverwalter wollte von den Schlecker-Beschäftigten als Sanierungsbeitrag einen Verzicht von 15 Prozent der Personalkosten. Wie kommt so etwas bei den Kolleginnen an? CHRISTEL HOFFMANN | Jemand, der mehr als Tarif verdient, kann sich wohl gar nicht vorstellen, was das für eine massive Kürzung beim Gehalt für unsere Beschäftigten bedeuten würde: So hätte eine Verkäuferin mit einer Vollzeitstelle eine Einbuße von mehr als 360 Euro monatlich! Und für eine Teilzeitkraft mit 20 Wochenstunden gäbe es fast 200 Euro weniger im Monat. Für viele würde das bedeuten, ergänzend Hartz IV beantragen zu müssen. Damit würden die Stellen bei Schlecker am Ende doch von den Steuerzahlern bezuschusst. Es wäre viel besser gewesen, wenn die Bundesländer stattdessen die Bürgschaft für die Transfergesellschaften bewilligt hätten. Es hätte sicher weniger Kündigungsschutzklagen gegeben und die Kolleginnen hätten eine bessere Zukunftsperspektive, weil sich für das Unternehmen viel leichter ein Investor hätte finden lassen.

ver.di PUBLIK | Die Bundestarifkommission, in der ver.di- und Arbeitnehmervertreter sitzen, hat einen Sanierungstarifvertrag nach Vorstellungen des Insolvenzverwalters ausgeschlossen. Wie soll es denn weitergehen? HOFFMANN | Jetzt werden erst einmal die ver.di-Mitglieder bei Schlecker gefragt, ob und, wenn ja, welche Einbußen als Sanierungsbeitrag sie akzeptieren würden. Klar ist, dass es keine Abzüge beim Monatsentgelt geben darf. Nur wenn bestimmte Voraussetzungen stimmen, sind befristeter Verzicht aufs Urlaubs- und Weihnachtsgeld und Verschiebung des Auszahlungszeitpunktes der Tariferhöhung überhaupt verhandelbare Möglichkeiten. Wir brauchen insbesondere klare Ansagen vom Insolvenzverwalter über mögliche Investoren und ob deren konzeptionelle Vorstellungen überhaupt tragfähig sind.

ver.di PUBLIK | Wie kommen die Kolleginnen mit dieser Situation zurecht? HOFFMANN | Die Schmerzgrenze ist längst erreicht, und die Ungewissheit ist dabei das Allerschlimmste. Jeder sollte sich klarmachen, dass die Schlecker-Frauen nicht an der Insolvenz schuld sind. Sie haben immer ihr Bestes gegeben und tun das bis heute. Denn auch unter den erschwerten Bedingungen während des Insolvenzverfahrens stehen sie jeden Tag in ihren Filialen und rackern sich ab. Deshalb kann ich nur den Hut vor jeder Kollegin an der Basis ziehen.

ver.di PUBLIK | Wie schätzen Sie die Zukunftschancen von Schlecker ein? HOFFMANN | Im laufenden Insolvenzverfahren gibt es ständig neue Informationen, doch vieles verläuft wie in einem Kreis, der sich nicht schließt. Aber ich gebe die Hoffnung so lange nicht auf, wie wir als Arbeitnehmervertretungen gemeinsam mit ver.di noch etwas bewirken können - so wie wir es vor über zwei Jahren geschafft haben, Leiharbeit bei Schlecker zu verhindern. Jetzt steht der Kampf für den Erhalt der rund 13.500 Arbeitsplätze bei Schlecker im Mittelpunkt - zu vernünftigen sozialen Bedingungen. Den potentiellen Investoren sollte dabei eines klar sein: Das wichtigste Kapital, das Schlecker hat, sind die Beschäftigten. Sie sind die besten, um das Unternehmen dauerhaft zu retten.

INTERVIEW: Gudrun Giese