Wie die Verhandlungen über einen Sanierungsbeitrag der Belegschaft verlaufen, ist ein zentraler Aspekt im Schlecker-Drama. Die Beschäftigten sind nicht zu allem bereit

Die Schlecker-Beschäftigten müssen sich ihren eigenen Rettungsschirm aufspannen

VON Andreas Hamann

Fällt der Name Schlecker, so fallen die Reaktionen noch immer gegensätzlich aus: Die einen rümpfen die Nase, weil ihnen die Filialen nicht schick genug sind und der ganze Laden ein anhaltend schlechtes Image hat, das allein die Gründerfamilie zu verantworten hat. Die anderen heben sofort auf den erfolgreichen Kampf um Betriebsräte, Tarifverträge mit ver.di und bessere Bedingungen im Job ab. Beide Positionen wirken unmittelbar in die aktuelle Situation hinein, knapp vier Monate nach dem Insolvenzantrag vom 23. Januar.

Dringend gebraucht werden wieder mehr Kunden und ein Investor, der ein Überlebens- und Zukunftskonzept finanziert. Um die Rettung bangen und ringen auch tausende ver.di-Mitglieder bei Schlecker, denn das Schicksal der Drogerie-Kette hängt an einem dünnen Faden. Insolvenzverwalter Arndt Geiwitz wollte ursprünglich bis Pfingsten einen Kandidaten für den Einstieg bei Schlecker präsentieren. Sehr viel mehr Zeit hat er vermutlich auch nicht, denn am 5. Juni soll die Gläubigerversammlung tagen.

Für eine Perspektive der noch 13.500 meist weiblichen Beschäftigten auf tariflich gesicherte Arbeitsplätze in einem runderneuerten Unternehmen kämpft ver.di auf vielen Ebenen - gemeinsam mit Aktiven aus den Betriebsräten in der Bundestarifkommission, bei Betriebsversammlungen und öffentlichen Auftritten. "ver.di ruft immer wieder auch die Anwohner von Filialen und unsere Mitglieder auf, die Schlecker-Verkäuferinnen solidarisch zu unterstützen", so Achim Neumann, der für ver.di den Gesamtbetriebsrat (GBR) betreut. Er weiß, wie sehr die Filialschließungen von Ende März und die unsicheren Aussichten an den Nerven vieler Beteiligter zerren.

Vergessen ist nicht, dass die Massenentlassung tausende Frauen in existenzielle Nöte geschleudert hat. "Von den rund 11.200 Schlecker-Beschäftigten, die gekündigt oder freigestellt wurden, haben bis Ende April nur knapp 800 einen neuen Arbeitsplatz gefunden", sagt Stefanie Nutzenberger, ver.di-Bundesvorstandsmitglied für den Handel. Den FDP-Wirtschaftsministern aus drei Bundesländern, die eine Transfergesellschaft für die Entlassenen verhindert hatten, wirft sie eine "Politik der sozialen Kälte" vor. Mit einer Auffanglösung wären auch die Chancen besser gewesen, das Unternehmen fortzuführen.

In erster Linie war es das Versagen des Einzelkaufmanns Anton Schlecker, das die prekäre Lage der Drogerie-Gruppe verursacht hat. "Wir haben seit Jahren immer wieder auf schwere Fehler der Geschäftsführung hingewiesen, die viel Umsatz gekostet haben", sagt die Sprecherin des GBR-Wirtschaftsausschusses Katrin Wegener. "Sei es bei der Einkaufs- und Personalpolitik oder bei der Ladengestaltung. Aber sie haben in den allermeisten Fällen die Ohren heruntergeklappt."

Seit Monaten existiert schon ein Zukunftskonzept

Bereits vor Monaten hatten der Gesamtbetriebsrat und ver.di ein Zukunftskonzept "Unser Schlecker 2012" erstellt, das das Unternehmen noch stärker als wohnortnahen Versorger profilieren will. Mitten hinein platzte der Kahlschlag bei Filialen und Beschäftigten, doch die Ideen des Konzepts leben weiter. Ob sie Chancen haben, realisiert zu werden, hängt von vielen Dingen ab.

Wie die Verhandlungen über einen Beitrag aus der Belegschaft zur Sanierung verlaufen, ist ein zentraler Aspekt im Schlecker-Drama. Die Insolvenzverwaltung verlangt außer Zugeständnissen der Lieferanten und Vermieter von 2012 bis 2014 einen Verzicht in Höhe von mindestens 15 Prozent der Personalkosten. In einem Interview mit den Stuttgarter Nachrichten hat ver.di-Verhandlungsführer Bernhard Franke Tacheles geredet: "Man kann mit dem Argument, dass es um viele Arbeitsplätze geht, nicht jede Vorgehensweise rechtfertigen. Man kann ja auch nicht verlangen, jeder soll für das halbe Geld arbeiten oder seine Kinder zum Schaffen mitbringen, damit Schlecker überlebt. Irgendwo gibt es Grenzen."

Um die verbliebenen Jobs zu retten, ist ver.di zu einem Sanierungstarifvertrag bereit - wenn die Voraussetzungen stimmen. Dazu gehört ein Investor mit einem Konzept, mit dem die Drogerie-Kette aussichtsreich weiter zu betreiben ist. Mittel- und langfristig müssen die tariflichen Standards garantiert sein. Nicht zur Disposition steht die Beschäftigungssicherung in der befristeten Zeit des Verzichts bis 2014. In diesem Sinne hat die Tarifkommission zwei Beschlüsse gefasst, über die jetzt bei Schlecker die ver.di-Mitglieder entscheiden. Als Signal an den Insolvenzverwalter und mögliche Investoren sollen das Urlaubsgeld 2012 und die fällige Tariferhöhung von zwei Prozent erst Ende August 2012 ausgezahlt werden.

Für einen Tarifvertrag zur Sanierung schlägt ver.di vor, das Urlaubs- und Weihnachtsgeld 2012 bis 2014 und die schon vereinbarte Einmalzahlung für dieses Jahr nicht auszuzahlen. Die Tariferhöhungen in der Laufzeit sollen um sechs bis zwölf Monate verschoben werden. "Mehr geht nicht", heißt es kurz und eindeutig zu diesen schon sehr empfindlichen Einbußen. Mit Spannung erwartet wird das Ergebnis der Mitgliederbefragung. Für die ebenfalls insolvente Tochtergesellschaft "Ihr Platz" ist mit der Münchener Firma Dubag jetzt offenbar ein Investor gefunden worden. Ob das ein gutes Omen auch für Schlecker und seine Beschäftigten ist, vermag im Moment niemand zu sagen.

Leitkommentar Seite 15

"Man kann ja nicht verlangen, jeder soll für das halbe Geld arbeiten oder seine Kinder zum Schaffen mitbringen, damit Schlecker überlebt. Irgendwo gibt es Grenzen."