Sabine Klewe: Der Seele weißes Blut | Jeder halbwegs lesbare Krimi aus Skandinavien wird ein Bestseller – dabei gibt es in Deutschland großartige Autor/innen, die für ihre spannenden, raffinierten und mindestens ebenso düsteren Bücher eine große Leserschaft verdienen. Die Düsseldorferin Sabine Klewe ist solch eine Autorin, die sich nach einigen handwerklich ordentlichen Krimis nun mit einem rasanten Thriller in die erste Reihe geschrieben hat: Eine äußerst unangepasste Kommissarin mit gefährlichem Privatleben und ein schöner Kommissar mit tragischem Schicksal – ein absolut serienträchtiges Duo – verstricken sich auch persönlich in die Aufklärung grausig ritualisierter Frauenmorde. Klewe wechselt unangestrengt zwischen verschiedenen Erzählpers-pektiven und Zeitebenen, erzählt eindringlich von der Zerstörung kindlicher Seelen durch Missbrauch und Gewalt, ohne dadurch den drängenden Spannungsbogen zu unterbrechen. Der Plot ist gekonnt konstruiert, atmosphärisch dicht erzählt und gipfelt, wie es sich gehört, in einem atemberaubenden Showdown, der natürlich alles über den Haufen wirft, was die Leserin anhand der von Klewe sorgfältig ausgelegten Spuren längst erahnt zu haben glaubte. Ulla Lessmann

Goldmann, 348 S., 8,99 €


Paula Bulling: Im Land der Frühaufsteher | Was fühlt ein im Herkunftsland unterdrückter und verfolgter Mensch, der nach Flucht oder Vertreibung in Deutschland sein Leben führen muss? Diese Frage beschäftigt Paula Bulling, die sich innerhalb des antirassistischen Solidaritätsbündnisses „No Lager Halle“ engagiert. Zudem ist sie künstlerisch für das dänische VisAVis-Magazin tätig, das sich dem Thema Migration widmet. Mit Skizzenblock und wachem Blick streift Bulling durch institutionalisierte Lebenssituationen, in denen Migranten behördlicher Willkür ausgesetzt sind. Schnell begreift man, dass deren Instrumentarium aus Lebensmittelgutscheinen, Arbeitsverboten und räumlichen Ausgrenzungen eine Integration nicht eben erleichtert. Nach zum Teil schwersten Traumatisierungen in den Herkunftsländern führt die Zwangs-ghettoisierung oft zu einer Verstärkung bereits vorhandener Ohnmacht, die mit dem Verlust von Selbstwertgefühl einhergehen kann. Dieses geisterhafte Leben bildet Bullings Comic-Reportage mittels unfertig wirkender Skizzen in Grautönen ab, die fragmentierte Darstellung kommentiert dabei den Status asylsuchender Menschen. Ein Platz, den sie ihr Zuhause nennen können, scheint ihnen nicht vergönnt. Oliver Ristau

Graphic Novel, Avant Verlag 2012, 125 S., 17,95 €


Wolfgang Ullrich: An die Kunst glauben | „Tiefer hängen.“ Dieser Titel eines früheren Buchs von Wolfgang Ullrich wäre das passende Motto für sein gesamtes Projekt der skeptischen Betrachtung von Kunst und Betrieb. Jetzt widmet er sich – äußerst originell – dem Thema der Kunst und ihrem Anspruch an unseren „Glauben“. Ullrich beschreibt, wie absurd die Rezeption von Kunst geworden ist, wenn Museumsbesucher „rigideren Vorschriften ausgesetzt sind als die Besucher einer Kirche“. Im Kapitel über den Kölner Streit um das Domfenster von Gerhard Richter führt er vor, wie Kunst als Ersatzreligion inzwischen die Diskurse bestimmt. Im Text über „Ikonen des Kapitalismus” heißt es: „Die Erhabenheit der Kunst findet ihre Fortsetzung in der Erhabenheit ihres Preises.“ Dies zeigt Ullrich überzeugend am Beispiel von Damien Hirsts Arbeit For the Love of God (2007), einem mit Diamanten geschmückten Totenschädel. Dieses Kunstwerk liest er als Menetekel: im Jahr vor der Finanzkrise 2008. Bettina Klix

Wagenbach Verlag 2011, 174 S. mit vielen Abbildungen, 12,90 €