Heike Wiechmann, freiberufliche Designerin und Illustratorin, hat seit 1997 für die Firma Goki rund 40 Spielzeuge entworfen. Der Hersteller aus Güster bei Mölln hat viele ihrer Produkte erfolgreich verkauft. Einige sogar sehr erfolgreich. Pro Stück hat die Designerin im Schnitt ein einmaliges Honorar von 400 Mark erhalten. "Erst 2008 habe ich erfahren, dass es üblich ist, als Designerin von Spielzeug und Dekorationsartikeln am Umsatz beteiligt zu werden, genauso wie immer schon am Umsatz meiner Bücher", sagt die 49-jährige Lübeckerin.

Heike Wiechmann wurde neugierig. Goki verweigerte die Auskunft über Verkaufszahlen, doch überschlagsmäßig konnte sie errechnen, dass alleine ihre Geburtstagskarawane (siehe oben) mindestens 200.000 Mal über die Ladentheke gegangen sein muss. Aktueller Einzelhandelspreis: zwischen 12 und 20 Euro. "Diese Zahl hat mich umgehauen. Trotz Nachfrage hat Goki die Verkaufserfolge meiner Entwürfe weiterhin verschwiegen. Wahrscheinlich haben die in diesem Moment gemerkt, wie hoch meine Nachforderung werden könnte."

Grundsatzfrage: Wer verdient an der Designleistung?

Heike Wiechmann ist freiberufliche Designerin und bekannte Kinderbuch-Illustratorin

Das war der Moment, als aus Partnern Gegner geworden sind. Heike Wiechmann wandte sich an ver.di, ihre Gewerkschaft gewährt ihr Rechtsschutz. "Das ist leider eine typische Situation", erklärt ihr Rechtsanwalt Bertold Schmidt-Thomé, "oftmals werden freie Designer nur nach Zeitaufwand bezahlt, obwohl ihnen spätestens seit der Urheberrechtsreform von 2002 außerdem eine Beteiligung am Umsatz zusteht." Der Urheberrechtsexperte aus Berlin weiter: "Bei Frau Wiechmann ist entscheidend, dass sie nicht von ihrem Recht wusste. Deshalb kann sie rückwirkend für zehn Jahre die Umsatzbeteiligung einfordern."

Im Frühjahr 2011, bei der ersten Verhandlung vor dem Landgericht Lübeck, hatte Goki behauptet, man habe Heike Wiechmann zu Beginn der Zusammenarbeit eine Umsatzbeteiligung angeboten und ihr 2003 vom großen Verkaufserfolg der Produkte berichtet. Diese Offerte sei ihr nie unterbreitet worden, kontert Heike Wiechmann. Warum auch hätte sie die Beteiligung ablehnen sollen? "Die Strategie der Gegenseite ist klar", erläutert ihr Anwalt: "Wenn es ein Angebot zur Umsatzbeteiligung gegeben hätte und meine Mandantin schon im Jahr 2003 gewusst hätte, dass ihr Honorar unangemessen war, dann wären die Ansprüche meiner Mandantin bereits nach drei Jahren verjährt."

Immerhin geht der Streit um eine nachträgliche Umsatzbeteiligung von mindestens 150.000 Euro, je nach den tatsächlichen Verkaufszahlen, die Goki bis heute nicht nennen will. Dabei klagt die Ver.dianerin Wiechmann nur auf die nachträgliche Umsatzvergütung von drei Bestsellern, die sie für Goki entwickelt hat. Das Landgericht Lübeck konnte oder wollte kein Urteil zugunsten der Urheberin fällen, auf einen Vergleich wollte sich die Gegenseite nicht einlassen.

Vorbild Bestsellerrechtsprechung für Buchautoren

Also trafen sich die ehemaligen Geschäftspartner im Mai vor dem Oberlandesgericht Schleswig wieder. Auch hier lässt sich die Frage der Verjährung und auch der Beteiligung nicht klären. Stattdessen geht es um die notwendige Schöpfungshöhe, die Rechtsanwalt Schmidt-Thomé so übersetzt: "Nichtjuristisch ausgedrückt geht es um die Frage: Geht der Entwurf auf ureigene Gedanken von Heike Wiechmann zurück? In dem Falle könnte die notwendige Schöpfungshöhe vorliegen, sie könnte also nachträglich eine Umsatzbeteiligung verlangen." In der bildenden Kunst ist es selbstverständlich, dass der Urheber an einem Verkaufserlös angemessen beteiligt wird, im Designbereich hingegen ist das weitgehend unbekannt. Allerdings gibt es aus jüngster Zeit einzelne Gerichtsurteile, die Designleistungen durchaus schon die nötige Schöpfungshöhe zugesprochen haben. Vorbild könnte die Bestsellerrechtsprechung für Buchautoren sein: Entpuppt sich ein zum Festpreis geschriebenes Buch als Bestseller, dann kann der Autor nachträglich eine Gewinnbeteiligung einklagen.

Am Beispiel ihrer Geburtstagskarawane, einem der langjährigen Bestseller der Firma Goki, entzündet sich der Streit, ob die Designleistung von Heike Wiechmann urheberrechtlich schützenswert sei. Die Vertreter von Goki behaupten, man habe Heike Wiechmann Artikelblätter gegeben, auf denen die Karawane bereits vorskizziert worden sei. "Das hat es nie gegeben", sagt Heike Wiechmann. "Ganz im Gegenteil: Man hatte mir gesagt, du kannst das gut, mach mal, du hast freie Hand. Man hat mir keinerlei weitere Vorgaben gegeben."

Schon wieder steht Aussage gegen Aussage. "Verjährung, Schöpfungshöhe, Beteiligungsangebot: So viele schwierige Punkte!", resümiert die Vorsitzende Richterin. "Warum einigen sie sich nicht auf einen Vergleich?" Heike Wiechmann wäre dazu bereit. Goki indes nicht. Also muss das Gericht ein Urteil fällen. Und das fiel Wochen nach der Verhandlung sehr ernüchternd aus: Das Gericht hat keinem der drei Spielzeuge die nötige Schöpfungshöhe zugesprochen. Über die Frage der Verjährung haben die Richter nicht geurteilt, auch nicht darüber, was eine angemessene Beteiligung gewesen wäre. Darüber hinaus, und das ist besonders gravierend, haben die Richter die Möglichkeit der Revision ausgeschlossen. Heike Wiechmann soll dieses Urteil also nicht in dritter Instanz vor dem Bundesgerichtshof anfechten können.

"Durch das Revisionsverbot sichert sich das OLG Schleswig ab, damit sein Urteil nicht überprüft wird", kommentiert Rechtsanwalt Schmidt-Thomé. "Es scheint, als habe das Gericht der Mut verlassen. Im Ergebnis bleibt die Zwei-Klassen-Justiz für Gebrauchskunst im Vergleich zur bildenden Kunst erhalten. Weiterhin soll den Designern die Möglichkeit verwehrt bleiben, auf urheberrechtlicher Grundlage gegen ungerechte Vergütung vorzugehen."

Designer werden ausgebremst

Allerdings meint der Rechtsanwalt, dass das Gericht sich nicht angemessen mit seiner Argumentation auseinandergesetzt habe. Denn die Tatsache, dass Heike Wiechmann einige Bestseller entworfen hat, zeige doch, dass sie in den Entwürfen eine besondere gestalterische Eigenständigkeit geschaffen hat. "Das ist eine Nichtberücksichtigung unserer Argumente, weshalb ich gegen die Nichtzulassung der Revision Beschwerde einlegen werde."

Der ver.di-Bundesvorstand hat sich bereit erklärt, auch die Nichtzulassungsbeschwerde zumindest teilweise zu finanzieren. Der Urheberrechtsexperte Schmidt-Thomé erhofft sich danach eine Grundsatzentscheidung vom Bundesgerichtshof. "Die Rechtsprechung sollte sich dazu durchringen, von den überzogenen Forderungen an die Schöpfungshöhe im Bereich der Gebrauchskunst abzugehen. Wenn wir das erreichen, zumindest teilweise, dann hätte das Signalwirkung für die gesamte Branche." Bis dahin, so sein Rat an die Designer/innen bleibt nur eins: "Informieren Sie sich über die angemessene Art der Vergütung. Und: Seien Sie bei der Vertragsgestaltung sorgfältig und misstrauisch!"

www.Heike-Wiechmann.de