"Wir erleben, wie die prekäre und unstetige Arbeit zunimmt."

Gute Arbeit - Gutes Leben - Arbeit fair teilen. Unter diesem Motto hat der ver.di-Landesbezirk Niedersachsen-Bremen in diesem Sommer gemeinsam mit einem breiten gesellschaftlichen Bündnis zu einer Arbeitszeitkonferenz in Hannover eingeladen. ver.di-Landesleiter Detlef Ahting sagte zur Eröffnung: "Wir wollen Arbeitszeitverlängerungen stoppen und die Tür für Arbeitszeitverkürzungen mit vollem Lohn- und Personalausgleich öffnen. Es geht uns um die humane Gestaltung der Arbeit, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, um altersgerechtes Arbeiten und flexible Übergänge in die Rente."

Männer und Frauen wünschen sich kürzere Arbeitszeiten. Dagegen wollen vor allem teilzeitbeschäftigte Frauen ihr Arbeitszeit-Kontingent erhöhen, weil sonst das Geld nicht zum Leben reicht. Das haben aktuelle Studien der Arbeitszeitforschung ergeben. Die Wissenschaftler plädieren für den Abbau von Überstunden und mehr Gestaltungsspielraum der Beschäftigten durch Wahlarbeitszeiten. Vor dem Hintergrund der Krise in Europa, verwies ver.di-Landesleiter Ahting darauf, dass eine generelle Arbeitszeitverkürzung ein taugliches Mittel zum Erhalt von Arbeitsplätzen und zur Bekämpfung drohender Arbeitslosigkeit sei.

Die Alltagsrealität

Die Politikwissenschaftlerin Beate Zimpelmann, Professorin an der Hochschule Bremen, bestätigte das: "In den Krisenjahren 2008/2009 haben Arbeitszeitverkürzungen in Deutschland wesentlich zur Sicherung von Arbeitsplätzen beigetragen." Ihr Fazit: "Wir brauchen eine generelle Arbeitszeitverkürzung aus Gründen der Beschäftigungs- und Geschlechtergerechtigkeit, der Zukunftsfähigkeit, der Lebensqualität und der gesellschaftlichen Teilhabe."

Vor allem in den Dienstleistungsbranchen sieht die Realität häufig anders aus. Da betreiben zum Beispiel ausgegliederte Servicegesellschaften Tarifflucht: zu niedrigen Löhnen muss meist noch länger gearbeitet werden. "Wir erleben in Deutschland, wie die prekäre und unstetige Arbeit immer mehr zunimmt", sagte Ahting. Dies betreffe vor allem junge Menschen. Leiharbeit, Minijobs oder unfreiwillige Teilzeitarbeit seien Alltagsrealität von mehr als sieben Millionen Menschen in Deutschland. Sie müssten sich als Flexibilitäts-Reserve des Kapitals durchs Leben mühen. Und: Noch immer betrage die Arbeitslosigkeit 6,6 Prozent - offiziell sind 2,8 Millionen Menschen ohne Arbeit. "Gleichzeitig schuften sich Millionen fast zu Tode, die zunehmende Arbeitsbelastung hat fatale Folgen. Burnout-Symptome und Depressionen sind die negativen gesundheitlichen Folgen für die Betroffenen, aber auch für ihre Familien. Die Balance zwischen Leben und Beruf ist gestört", sagte Ahting. Zudem könne von Stundenlöhnen um die sechs oder sieben Euro niemand leben oder gar eine Familie ernähren.

Für den Gewerkschafter darf die Verkürzung der Arbeitszeit nicht allein auf Tariffragen reduziert werden: "Nur durch gesetzliche Vorgaben können tariflose Bereiche einbezogen und Mehrarbeit begrenzt werden." Und schließlich: Nur gute Arbeit biete genügend Chancen und Raum für gesellschaftliche Betätigung und Privatleben. Der Landesleiter will für die Arbeitszeit-Initiative bei Sportvereinen, Kirchen, Verbänden und Umweltinitiativen werben: "Damit wir mehr werden und durchsetzungsfähig sind."

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