Der neue Tarifvertrag gewährt den älteren Kolleginnen und Kollegen altersgerechte Entlastungen

von Anne Quiring

Hamburg | Fachkräftemangel, Jugendarbeitslosigkeit, Arbeiten bis zur Rente mit 67. Erste Unternehmen erkennen die Zeichen der Zeit, reagieren auf die demografische Entwicklung und investieren in die Zukunftsfähigkeit ihrer Belegschaft. Nach zwei Verhandlungsjahren hat die Verkehrsbetriebe Hamburg-Holstein AG (VHH) mit ihren 1 600 Beschäftigten - davon 1 200 Busfahrer, die uns sicher und pünktlich durch Hamburg chauffieren sollen - mit ver.di einen "Tarifvertrag zum demografischen Wandel und der Generationengerechtigkeit" abgeschlossen. Mit dem Haustarifvertrag sollen die Auswirkungen der demografischen Entwicklung auf das Unternehmen abgefedert, vor allem aber die Arbeitsbelastungen für die Arbeitnehmer spürbar abgebaut werden.

Gesunde Vereinbarungen getroffen

Die Tarifpartner haben sich für ein umfassendes Entlastungskonzept entschieden, damit die Kolleg/innen ihre Rente noch gesund und fit erleben können. Nach Analyse der Alters- und Qualifikationsstruktur der Mitarbeiter/innen, nach eingehender Gefährdungsbeurteilung (Arbeitsbewältigungsindex ABI), einer Auswertung der BEM-Gespräche (BEM = Betriebliches Eingliederungsmanagement) und Mitarbeitergesprächen wurden folgende Vereinbarungen getroffen:

Die VHH bildet in Klassenstärke den neuen Beruf Fachkraft im Fahrdienst aus, die Auszubildenden werden nach erfolgreicher Ausbildung unbefristet übernommen.

  • Alle befristeten Arbeitsverträge werden entfristet.
  • Die konzerneigene Leiharbeitsfirma wurde aufgelöst, die Kollegen wie alle Neueinstellungen unbefristet beschäftigt.
  • Die maximale Schichtlänge wird verringert, Nachtarbeit in der Werkstatt wird auf ein nötiges Minimum reduziert.
  • Es wird streng darauf geachtet, dass alle Mitarbeiter/innen mindestens einmal im Jahr zusammenhängend drei Wochen Urlaub nehmen. Die Umwandlung von Urlaubsgeld in zusätzliche Urlaubstage wird möglich. Ältere Kolleg/innen erhalten zusätzliche Entlastungstage.

ver.di PUBLIK hat mit Thomas Scheel (51) und Ralf Lukas (52), Mitglieder der Tarifkommission, sowie Max Leininger (55), dem ver.di-Verhandlungsführer, über die richtungsweisende Vereinbarung gesprochen:

ver.di PUBLIK | Was belastet die Kolleg/innen bei der Arbeit am stärksten?

Thomas | Die Wechselschicht. Der Dienstbeginn kann bei uns täglich wechseln. Das bringt die innere Uhr total durcheinander.

Ralf | Genau. Die Fahrpläne sind einzuhalten, der Nahverkehr soll ja funktionieren. Die Arbeit im Fahrdienst ist dadurch weitgehend fremdbestimmt.

ver.di PUBLIK | Welche Maßnahmen sollen die Kollegen entlasten?

Thomas | Zusätzliche Freizeit, über die die Kollegen frei verfügen können: die Umwandlung von Urlaubsgeld in zusätzlichen Urlaub, vier zusätzliche Entlastungstage pro Jahr ab dem 55. Lebensjahr, zehn zusätzliche freie Tage ab dem 64. Lebensjahr; dazu die Garantie eines dreiwöchigen, zusammenhängenden Urlaubsblocks im Jahr.

ver.di PUBLIK | Was steuern die Beschäftigten zum Entlastungspaket bei?

Ralf | Die Kolleg/innen, die die Entlastungstage in Anspruch nehmen, dürfen keine Nebentätigkeiten ausüben.

Thomas | Und sie dürfen keinen DAFTE, Dienst an freien Tagen, machen. Klar, das wäre ja auch ein totaler Widerspruch.

ver.di PUBLIK | Wie kommt der neue Tarifvertrag an?

Ralf | Gerade die älteren Kolleg/innen, die schon lange im Fahrdienst stehen, sind begeistert. Es wurden bereits viele Anträge für Entlastungstage und die Umwandlung von Urlaubsgeld eingereicht.

ver.di PUBLIK | An welcher Stelle waren die Verhandlungen besonders schwierig?

Max | Wir mussten zuerst zeigen, dass die anfänglichen Mehrbelastungen zu späteren Kostenersparnissen führen. Dem Arbeitgeber wurde klargemacht, dass frühzeitiges präventives Agieren kostengünstiger ist, als später krankheitsbedingte Ausfälle zu finanzieren. Danach stand auf Arbeitgeberseite das Kostenargument einer Lösung nicht mehr im Wege.

ver.di PUBLIK | Habt ihr ein Erfolgskriterium zur Überprüfung der Maßnahmen?

Thomas | Ja, ein Erfolg ist, wenn unsere Mitarbeiter möglichst gesund und zufrieden die Regelaltersgrenze erreichen und ihren Ruhestand auch noch genießen können. Überprüfbar wird das auch am Arbeitsbewältigungsindex ABI, der sich auf hohem Niveau halten und verbessern soll. Die Wirkung der neuen Regelungen wird zudem während der Laufzeit laufend arbeitsmedizinisch ausgewertet.

Der Tarifvertrag ist erstmals 2019 kündbar. Für weitere Auskünfte steht der Kollege Max Leininger unter der Telefonnummer 040 / 2858 4110 zur Verfügung.