Ausgabe 02/2013
Gründlich schief gegangen
Betriebsratsvorsitzende hebeln Tarifverhandlungen aus. Heftige Debatte im ver.di-Fachbereich von Birgit Tragsdorf Eine Regelungsabrede ist die kleine Schwester der Betriebsvereinbarung, die die Schriftform nicht einhält und daher nicht die Wirkung einer Betriebsvereinbarung hat. Das heißt zunächst, sie verändert nicht unmittelbar die Rechtsstellung der Arbeitnehmer/innen. In den Ameos-Salzlandkliniken wurde mit einer solchen Abrede gerade geregelt, wie Beschäftigte in individuellen Änderungsverträgen ihre Arbeitszeit und somit ihr Einkommen um 12,5 Prozent kürzen lassen, auf Jahressonderzahlungen und leistungsorientierte Entgelte verzichten. Das haben der Gesamtbetriebsratsvorsitzende, Olaf Haberecht, und die beiden anderen Betriebsratsvorsitzenden mit der Geschäftsführung ausgehandelt und kurz vor dem Jahreswechsel eingetütet - an ver.di vorbei. Statt eines Sanierungstarifvertrages, den die Tarifkommission im Januar verhandeln wollte, war diese Regelungsabrede entstanden. Über 90 Prozent der Pflegekräfte haben sie unterschrieben. Was ist da passiert?
Die Salzlandkliniken in Sachsen-Anhalt mit den Standorten in Aschersleben, Staßfurt, Bernburg und Schönebeck wurden nach einem turbulenten Bieterverfahren und politischen Querelen im März 2012 an die Schweizer Ameos AG verkauft. Finanzielle und strukturelle Schwierigkeiten waren damals schon bekannt. ver.di forderte ein Wirtschaftsgutachten, das die Geschäftsführung im November auch vorlegte. Dass etwas passieren musste, war allen klar. Betriebsversammlungen folgten, Mitarbeiter/innen wurden befragt, eine Tarifkommission gewählt und geschult, Verhandlungen für den Januar verabredet.
Kurz vor Weihnachten machte dann die Klinikleitung Druck: 360 Kündigungen müssten ausgesprochen werden, falls nicht sofort einer Arbeitszeitverkürzung zugestimmt würde. Die drei Betriebsratsvorsitzenden nahmen das Heft in die Hand - oder besser: die Geschäftsführung legte es ihnen dringend nahe. Die anderen Betriebsrats-Mitglieder wurden nicht informiert.
"Betriebsräte verhandeln keine Tarifverträge, auch nicht, wenn sie es Regelungsabrede nennen", betont der zuständige ver.di-Gewerkschaftssekretär Jens Berek. Im Januar dann unterschrieb der Großteil der Kolleg/innen aus dem Pflegebereich - auch auf Druck der entsprechenden Betriebsräte - einen Änderungsvertrag. Sie entschieden sich damit gegen den kollektivrechtlichen Schutz von Tarifverträgen.
Auch Teilzeitkräfte müssen nun 12,5 Prozent Verlust von Arbeitszeit und Einkommen hinnehmen. Nur die Ärzte der Salzlandkliniken leisten keinen Betrag zur Sanierung. Kein Wunder: Zwei von drei BR-Vorsitzenden sind Ärzte, der dritte stammt aus dem Technikbereich. Gesamtbetriebsratsvorsitzender Olaf Haberecht ist Oberarzt und ver.di-Mitglied. Im ver.di-Landesfachbereich wird derzeit heftig diskutiert, auch darüber, wer eigentlich auf der ver.di-Liste für den Betriebsrat kandidieren sollte und was die Kandidaten sich unter einer Mitgliedschaft in ver.di vorstellen. Betriebliche Bündnisse gegen die Rechte von Gewerkschaften darf es jedenfalls nicht geben.
"Die Tarifkommission fordert Ameos auf, zur Rechtsstaatlichkeit zurückzukehren und die Gespräche wieder aufzunehmen", fasst Jens Berek die Forderungen zusammen. Und: "Dieses Vorgehen darf nicht Schule machen."