HENRIK MÜLLER ist Redakteur bei ver.di PUBLIK

Ob er als Kind zu viel mit seinem Kaufmannsladen gespielt hat, ob er ein Schnäppchen witterte oder was sonst den Milliardär und Schöngeist Nicolas Berggruen 2010 bewegt haben mag, sich die traditionsreiche Kaufhauskette Karstadt zuzulegen, bleibt letztlich sein Geheimnis. Für die noch 20.000 Beschäftigten jedenfalls gehen in diesen Wochen und Monaten die extreme Nerverei und die Sorgen um die Arbeitsplätze weiter, die sie seit vielen Jahren mit Eigentümern und Managern ihres Unternehmens ertragen müssen. Das kann Menschen krank machen - und macht es auch.

Was hatte Berggruen damals getönt, wie hatte er sich feiern lassen als der gute Onkel aus Amerika, als "Retter" der Kaufhauskette: "Jetzt sehe ich mich als Arbeiter für Karstadt." Das war schon damals ein falsches Rollenverständnis. Berggruen war und ist kein Arbeit(nehm)er, sondern von Beruf Kapitalist, Finanzinvestor, wie man heute so schön sagt. Und deshalb hatten die Beschäftigten, ihre Gewerkschaft sowie Politik, Medien und Öffentlichkeit von ihm Investitionen erwartet, in vielfacher Millionenhöhe.

Den symbolischen einen (in Ziffern: 1,-) Euro, den der "Investor" für Karstadt bezahlt hatte, hätten die Beschäftigten auch selber aufgebracht. Selbst die 65 Millionen Euro Kredit, die Berggruen - gut verzinst - inzwischen schon zurückbekommen hat, hätten die Karstadt-Arbeitnehmer/innen notfalls selber gestemmt. Denn darin haben sie Erfahrung: Geschätzte 650 Millionen Euro hatten sie - durch Lohnverzicht - vor Berggruen ja schon in ihr Unternehmen gesteckt. Aber der Investor kaufte für gerade einmal fünf Millionen Euro die Namensrechte an Karstadt.

Die fürstlichen Linzenzgebühren, die er seitdem dafür kassiert, die Tilgung und Verzinsung des Kredits und alles andere, was in den letzten Jahren investiert worden ist, musste aus dem Cash-Flow bestritten werden, also von dem, was die Beschäftigten tagtäglich mit ihrer Hände und Köpfe Arbeit an Geld hereinholen. Da müsste das Unternehmen doch eigentlich allmählich ihnen gehören. Stattdessen sollen sie schon wieder auf Lohn verzichten.