Bislang wurden im Arbeitsschutzgesetz psychische Belastungen nicht ausdrücklich erwähnt. Viele Arbeitgeber lehnten es deshalb ab, sie bei der vorgeschriebenen Gefährdungsbeurteilung zu erfassen. Ende Juni hat der Bundestag nun das Arbeitsschutzgesetz novelliert. Künftig soll ein umfassender Gesundheitsbegriff gelten, der physische und psychische Komponenten ausdrücklich umfasst. Dementsprechend lautet Paragraf 4 nun folgendermaßen: "Die Arbeit ist so zu gestalten, dass eine Gefährdung für das Leben sowie die physische und psychische Gesundheit möglichst vermieden ... wird." Zudem sollen psychische Belastungen bei der vorgeschriebenen Gefährdungsbeurteilung zwingend berücksichtigt werden.

Paragraf 5, der die zu beachtenden Gefährdungen bei der Arbeit beispielhaft auflistet, wird dazu um einen Punkt ergänzt. Dort heißt es künftig: "Eine Gefährdung kann sich insbesondere ergeben durch ... 6. psychische Belastungen bei der Arbeit." Damit ist eindeutig geklärt, dass auch Termin- und Leistungsdruck, Überlastungen sowie monotone Arbeitsgänge Bestandteil der Gefährdungsbeurteilung an den Arbeitsplätzen zu sein haben. Nach dem neuen Stress-Report der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin plagen sie mehr als jeden zweiten Arbeitnehmer.

Doch das Arbeitsschutzgesetz setzt nur einen Rahmen und enthält relativ allgemeine Formulierungen. Für viele Arbeitsbelastungen existieren konkretisierende Verordnungen, beispielsweise zum Schutz vor Lärm oder Gefahrstoffen. Die Gewerkschaften fordern deshalb zum besseren Umgang mit psychischen Belastungen zusätzlich eine Anti-Stress-Verordnung. Die Oppositionsfraktionen im Bundestag haben zu diesem Thema bereits entsprechende Anträge verfasst.

Zudem hat das Land Hamburg zusammen mit sechs weiteren Bundesländern eine bundesweite Verordnung zum Schutz vor psychischen Belastungen als Bundesratsinitiative in die Länderkammer eingebracht. Diese zielt darauf ab, klar und deutlich die einzelnen Handlungsfelder zu benennen und orientierende Vorgaben für die betriebliche Praxis zu geben. Danach sollen konkrete Festlegungen getroffen werden, was die Betriebe im Hinblick auf psychische Belastungen zu ermitteln haben, also etwa Gefährdungen durch die Arbeitsaufgabe, die Arbeitsmittel, die Arbeitsorganisation oder durch soziale Bedingungen.

Die Verordnung listet zudem Maßnahmen und Gestaltungsgrundsätze auf, die Unternehmen dabei unterstützen, diese Belastungen zu reduzieren oder zu vermeiden. Der Bundesrat hat die Bundesregierung aufgefordert, nun rasch eine entsprechende Verordnung zu erlassen. Ob diese nun kommt oder nicht - das präzisierte Verständnis von Gesundheit im Arbeitsschutzgesetz kann dazu beitragen, psychische Belastungen stärker auf den Prüfstand zu stellen und betriebliche Maßnahmen zu ergreifen, um diese zu reduzieren. Ulla Wittig-Goetz

Gefährdung beurteilen

Um psychische Gefährdungen am Arbeitsplatz zu vermindern, hat ver.di ein sozialpolitisches Konzept vorgelegt. Denn um arbeitsbedingte psychische Gefährdungen abzubauen, ist ein Gesamtpaket erforderlich. Dazu braucht man unter anderem mehr Regelungen, aber auch Sanktionsparagrafen in den einschlägigen Gesetzen. Auch muss sichergestellt werden, dass Gefährdungsbeurteilungen gemacht werden, bei denen auch die psychischen Belastungen erfasst werden.

www.verdi-gefaehrdungsbeurteilung.de