Ausgabe 05/2013
Moderner Menschenhandel
Medienkonzern verkauft 900 Beschäftigte
Siegfried Heim ist bei ver.di zuständig für die Tarifpolitik bei Verlagen, Druck und Papier
Menschenhandel ist in Deutschland verboten, dennoch werden jedes Jahr Zigtausende von Beschäftigten von ihren Chefs verkauft - in jedem denkbaren Sinn des Wortes. Aktuell machen diese Erfahrung mehr als 900 Arbeitnehmer/innen der Axel Springer AG. Schon in wenigen Monaten gehören ihre Arbeitsplätze der Funke-Mediengruppe, die gerade erst gezeigt hat, dass sie eiskalt eine ganze Redaktion mit 120 Beschäftigten entlässt, wenn die finanziellen Vorgaben des Konzerns nicht eingehalten werden. Schnellen Profit hat auch der Verkäufer gemacht: Kaum war die Nachricht vom 920-Millionen-Euro-Deal bekannt, schoss der Kurs der Springer-Aktie nach oben - der Verkauf von Unternehmensteilen beflügelt zuverlässig die Spekulanten.
Diejenigen, die für Berliner Morgenpost und Hamburger Abendblatt, für Hörzu und Bild der Frau arbeiten, fragen sich nun, was ihre Loyalität zum Unternehmen wert war. Der Springer-Vorstandsvorsitzende Matthias Döpfner hat jedenfalls klargemacht, dass seine Loyalität ausschließlich den Aktionären und nicht den Beschäftigten gehört. Das gilt auch für diejenigen im Konzern, die etwa bei Bild und Welt noch die Hoffnung hegen, dass sie von diesem Deal nicht betroffen sein könnten. Und es gilt auch für jene gut 500 Beschäftigten, die künftig in den von Springer und Funke gemeinsam betriebenen Vermarktungs-Firmen tätig sein werden und sich deshalb derzeit vielleicht sogar persönliche Karriere- chancen versprechen.
Die unmittelbar vom Verkauf Betroffenen lernen derzeit, dass es nur wenig Unterschied macht, ob man in einem Konzern arbeitet, der wie Springer bislang ein eher sozialpartnerschaftliches Arbeitgeber-Image hat, oder bei der Funke-Gruppe, die schon, als sie noch WAZ-Konzern hieß, an vorderster Front in Sachen Tarifflucht und Verhinderung von Mitbestimmung agierte. Die Erkenntnis, verkauft worden zu sein, bietet die Chance, sich auf die eigenen Interessen als Arbeitnehmer/in zu besinnen - und darauf, dass nur die gewerkschaftliche Solidarität die Folgen der Mega-Deals für die Beschäftigten auf ein erträgliches Maß begrenzen kann.