Tote Männer am Rhein

Myriane Angelowski: Blutlinien | Schön ist es nicht, sich in der Gedankenwelt eines Serienmörders zu bewegen, seinen grausigen Phantasien, eiskalten Plänen und wahnhaften Motiven zu folgen. Es ist nicht schön, aber außerordentlich spannend und ziemlich unheimlich, wenn eine Autorin uns aus der Arbeit der Polizei immer mal wieder in den Kopf des Verbrechers entführt. Diese in Ich-Form erzählten Passagen mit ihrer psychopathischen Logik sind zweifellos sprachlich und inhaltlich die besten in diesem Kriminalroman aus der "Köln-Krimi"-Reihe des Emons-Verlages, deren Titel ein durchaus unterschiedliches Niveau haben.

Myriane Angelowski (der Name ist kein Pseudonym!) lässt bei ihrem dritten Fall mit den Kommissarinnen Lou Vanheyden, alleinerziehende Mutter einer Tochter mit nervigem Freund, und Maline Brass, in glücklicher lesbischer Partnerschaft lebend, die Ermittlerinnen lange im Dunkeln tappen. Denn die jeweils in der Nähe des Rheins ermordeten Männer und Frauen, unter ihnen eine Kinderärztin und ein Travestiekünstler, wurden offenbar vom selben Täter erstochen, obwohl sie auf den ersten Blick nichts gemeinsam haben. Was sie zu Opfern werden lässt, darf hier natürlich nicht verraten werden - nur so viel: Angelowski stellt überzeugend die Motivlage des Mörders dar, dessen Identität auch krimigeübten Leser/innen buchstäblich bis zur letzten Seite verborgen bleibt.

Dass es um ein gesellschaftlich brisantes Thema geht, hat Angelowski nicht etwa dazu verleitet, belehrend zu erzählen. Es gelingen ihr vielmehr anrührende Szenen mit jenen Menschen, die ihre Liebsten verloren haben, der regionale Bezug wird nicht kölschtümelnd überstrapaziert und alle Nebenschauplätze und Erzählstränge haben ihren dramaturgischen Sinn, was keine Selbstverständlichkeit ist. Erfreulich ist zudem, dass die Autorin nicht dem modischen Trend folgt, ihre Ermittlerinnen mit besonders seltenen psychischen Störungen, allen möglichen Süchten oder extrem tragischen Lebensgeschichten auszustatten. Stattdessen begegnen uns kluge, hart arbeitende Frauen, deren Alltag in chaotischen Patchwork-Haushalten, mit Vätern im Altenheim, besten Freundinnen und etwas unpassenden Liebhabern, lebensnah und humorvoll geschildert wird - die Mordserie ist schließlich verstörend genug. Ulla Lessmann

KRIMI, EMONS-VERLAG, 224 S., 9,90 €


Jan Distelmeyer: Katastrophe und Kapitalismus - Phantasien des Untergangs | Der Ausbruch des Vesuvs zerstört eine dekadente Kleinstadt: Schon 1908 begeisterte Die letzten Tage von Pompeji als erster Katastrophenfilm sein Publikum. Seither treiben uns Naturgewalten und Endzeitphantasien in die Kinos. Aktuelle Filme wie 2012 (fatale Sonneneruptionen), The Happening (die Verschwörung der Pflanzen) oder Auf der Suche nach einem Freund fürs Ende der Welt (ein letzter Meteoriteneinschlag) zeigen, dass globale Apokalypsen im Trend liegen. Jan Distelmeyer, gebür- tiger Bielefelder und Medienwissenschaftler in Potsdam, sieht Parallelen zwischen diesen Filmwelten und den Bildern, mit denen uns ökonomische Katastrophen erklärt werden. Denn auch die Finanzkrise werde von Nachrichtenmedien wie eine Naturkatastrophe dargestellt, also als unaufhaltbarer Effekt des Kapitalismus. Sein Fazit: Im Kino sei der Untergang zwar noch genüsslich erlebbar. Die ganz reale Weltkrise jedoch als Naturgewalt zu verstehen, schließe den "kommenden Aufstand gegen das System" aus. Jutta Vahrson

BERTZ + FISCHER 2013, 138 S., 9,90 €


Bruno Preisendörfer: Die Schutzbefohlenen | Diesen spannend zu lesenden Internatsroman durchdringt Mitgefühl mit allen seinen Figuren, den Schülern und ihren geistlichen Erziehern und Lehrern. Anrührend wird beschrieben, wie alle, oft verzweifelt, versuchen, das Richtige zu tun und auch nicht immer scheitern. Aber manchmal kann eben trotzdem das Schlimmste geschehen. Und das sind in diesem Fall nicht die sexuellen Übergriffe durch einen Pater - ohne dass dieses Geschehen verharmlost wird. Die These des Autors in seinem klar Position beziehenden Nachwort - dass die Institution sich vor allem selbst zu schützen versucht - beherrscht aber nicht das Buch. Denn auch drei Schutzbefohlene, die ungewollt schuldig am Tod eines Mitschülers wurden, werden vor den Konsequenzen ihrer Tat beschützt. 40 Jahre später kehrt ein ehemaliger Zögling in das Kloster zurück und erfährt die ganze Wahrheit. Ein bewegendes Buch über die großen Fragen von Schuld und Verantwortung. Bettina Klix

PSYCHOSOZIAL-VERLAG, 193 S., 19,90 €


Catrin Barnsteiner: Fräulein Schläpples fabelhafte Steuererklärung | Amors Pfeile nehmen manchmal seltsame Wege. Ein ungleicheres Pärchen als in diesem Buch kann man sich kaum vorstellen. Auf der einen Seite stets der hyperkorrekte Beamte Fred Eisenbogen aus dem Finanzamt Böblingen. Und der verguckt sich ausgerechnet in die leicht chaotische Gärtnerin Sandra, die gerne mal Gummistiefel zum Blümchenkleid trägt. Sandra wiederum stammt aus dem Schläpple-Clan, der sich einen Heidenspaß daraus macht, mit immer skurrileren Ideen den Fiskus übers Ohr zu hauen. Alles nicht ganz so einfach, zumal das junge Glück mit einer (Not-) Lüge beginnt. Fred gibt sich aus Verlegenheit zunächst als Archäologe aus und kommt einfach nicht dazu, seiner Angebeteten die ernüchternde Wahrheit zu beichten. Die Situation eskaliert, als ausgerechnet der Frischverliebte auf Sandras kreative Buchhaltung angesetzt wird und zur Betriebsprüfung im Hause Schläpple anrücken muss. Damit ist für weitere Turbulenzen nun wirklich mehr als reichlich gesorgt. Dieser Roman ist zwar keine hochtrabend literarische Lektüre, aber auf jeden Fall ein vergnüglicher Lesespaß mit Lach-Garantie. Tina Spessert

BLOOMSBURY BERLIN, 2013, 224 S., 14,99 €