Die Initiative zeigt, wie miese Arbeitsbedingungen auf Obstplantagen ferner Länder und in deutschen Supermärkten zusammenhängen

Harter Job: auf einer Reybanpac-Plantage in Ecuador

von Gudrun Giese

Wer regelmäßig im Supermarkt einkauft, hat es längst bemerkt: Es gibt immer weniger Handelsketten. Hinter verschiedenen Bezeichnungen verbirgt sich ein- und derselbe Konzern. So gehört der Discounter Netto zur Edeka-Gruppe, Penny zu Rewe. Kaufland und Lidl sind Gesellschaften (bzw. "Stiftungen") des Schwarz-Imperiums, Real zählt zu den Töchtern der Metro-Gruppe. Damit wären vier der fünf Großen im deutschen Lebensmitteleinzelhandel genannt. Hinzu kommt der Discounter Aldi. Auf die Unternehmensgruppen Edeka, Rewe, Aldi, Lidl/Kaufland und Metro entfallen rund 90 Prozent des Marktes im Lebensmitteleinzelhandel in Deutschland.

Die Marktmacht entscheidet

Der Kunde ist König, heißt es. Das mag - sehr eingeschränkt - für den Kunden Meier und die Kundin Müller gelten, wirklich trifft der Spruch jedoch auf Großkunden wie Aldi und Edeka zu. Wenn sie Waren für ihre tausenden von Filialen ordern, laufen Produktionslinien auf Hochtouren, rasen Lastwagen kreuz und quer durch Europa. Mit ihrer Marktmacht diktieren die großen Lebensmittelanbieter Arbeitsbedingungen, Preise, Termine und Absatzmengen.

Wie sehr miserable Arbeitsbedingungen auf allen Stationen der Lieferkette, Preisdiktate und die Verdrängung kleiner Anbieter inzwischen den internationalen Handel mit Lebensmitteln bestimmen, zeigt seit 2008 die Initiative "Supermarktmacht.de" auf. Dazu haben sich 26 Organisationen zusammengeschlossen, federführend ist Oxfam, aktiv dabei sind auch ver.di, die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG), Organisationen wie die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft, BanaFair und das INKOTA-Netzwerk. "Je größer die Ketten sind, desto einfacher können sie den Lieferanten und Erzeugern ihre Preise und Bedingungen diktieren. Wer sich wehrt, wird ausgelistet, d.h., sein Produkt wird aus dem Sortiment genommen", heißt es in der Broschüre Die Macht der Supermarkt-Ketten der Initiative. Keiner dieser Produzenten möchte jedoch mit Namen genannt werden. Das eint sie mit Verkäufer/innen, die meist ebenfalls nur anonym Auskunft über ihre miesen Arbeitsbedingungen geben.

Am härtesten trifft die geballte Marktmacht jene, die sich am wenigsten wehren können, etwa die Plantagenarbeiter/innen in Lateinamerika. So erbrachte eine Befragung unter ecuadorianischen Bananenpflücker/innen, dass die auf den Riesenplantagen gezahlten Löhne im Schnitt umgerechnet netto 176 Euro monatlich, die staatlich definierte Armutsgrenze von 403 Euro Monatseinkünften um mehr als die Hälfte unterschreiten. Zudem stellte sich heraus, dass auf den Plantagen massenhaft unbezahlte Überstunden geleistet werden müssen, dass den Beschäftigten Sozialleistungen vorenthalten und Urlaubszeiten nicht vergütet werden. Katastrophal sind die Gesundheits- und Sicherheitsbedingungen: Hochgiftige Pestizide wie Calixin oder Tilt werden ohne Vorwarnung von Flugzeugen aus versprüht. "Wir bedecken uns mit unseren Hemden, weil der Verwalter der Plantagen uns nicht erlaubt, die Felder zu verlassen", sagte ein Landarbeiter der unabhängigen ecuadorianischen Forschungseinrichtung zu Agrarfragen SIPAE, die eine Untersuchung im Auftrag von Oxfam vornahm. Obwohl die Arbeitgeber ihren Beschäftigten Schutzkleidung und Ausrüstung stellen müssten, tun sie es nur selten.

Dass sich solche Methoden halten können, hängt ebenfalls mit ökonomischer Macht zusammen. Denn die Bananenproduktion und der Export liegen in den Händen weniger Unternehmen; in Ecuador bestimmen Dole-Ubesa, Noboa und Reybanpac den Markt. Kleine Exporteure können sich nur unterwerfen - oder aufgeben. "Das Einkaufsvolumen der Supermarktketten ist inzwischen so groß geworden, dass sie den Preis bestimmen können", schreibt ein ecuadorianischer Bananenexporteur in der Oxfam-Broschüre Bittere Bananen. Die Mehrheit der deutschen Importeure sagen: Verkaufe mir Bananen zum Aldi-Preis, minus oder plus ein Prozent. "Wer macht den Preis? Aldi. Das heißt, dass der Preis nicht den Gesetzen des Marktes unterliegt."

Die Bundesregierung blockiert

Die Supermarkt-Initiative will die zunehmende Marktmacht weniger Konzerne öffentlich machen. "Alle beteiligten Organisationen sind in ihrem Bereich aktiv und versuchen, die Praktiken der großen Supermärkte aufzudecken und ein politisches Gegensteuern zu erreichen", so Micha Heilmann von der Gewerkschaft NGG. "Wichtig ist, die Konzerne stärker in die Pflicht zu nehmen", sagt Uwe Wötzel aus dem Bereich Politik und Planung beim ver.di-Bundesvorstand. "Unternehmen in Deutschland sind privilegiert, wenn es um Investitionen, Renditen und Steuervorteile geht. Wir wollen, dass ihr Fehlverhalten geahndet wird." So solle bei der nächsten Justizministerkonferenz auf Antrag des nordrhein-westfälischen Justizministers über ein neues Unternehmensstrafrecht debattiert werden.

Auch auf anderen Ebenen tut sich etwas: Das Bundeskartellamt hat eine Untersuchung zur Konzentration im Lebensmittelbereich eingeleitet. "Wir planen, dann mit dem Abschlussbericht des Kartellamts Druck auf die Bundesregierung auszuüben", sagt Johanna Birk von Oxfam Deutschland. Ihre Organisation setzt dabei - wie die Supermarkt-Initiative insgesamt - auf mehreren Ebenen an. "Wir wollen mehr Transparenz über die Konditionen in den Lieferketten. Nur wenn klar ist, wer welche Produkte zu welchen Bedingungen liefert, kann es mündige Verbraucher geben." Auf EU-Ebene gibt es dazu einen Richtlinienvorschlag. Doch die Bundesregierung erweise sich, so Birk, als Blockierer. Die Chefs der Supermarktketten reden zwar mittlerweile mit Organisationen wie Oxfam, doch von einer Offenlegung ihrer Lieferkonditionen wollen sie ebenso wenig wissen wie von Tarifbindung und guten Arbeitsbedingungen in ihren Filialen. "Alle können CSR (Corporate Social Responsibility)-Programme präsentieren, doch den Zulieferfirmen und auch den Plantagenarbeitern nützt das herzlich wenig." Denn diese Programme zur sozialen Verantwortung sind überwiegend unverbindliche Absichtserklärungen.

Immerhin hat die EU-Kommission einen europäischen Aktionsplan für den Einzelhandel auf den Weg gebracht: Ein "Grünbuch" soll die unlauteren Handelspraktiken in der Lieferkette für Lebensmittel und Nicht-Lebensmittel in Europa aufdecken. Dazu liegt ein Zwischenbericht vor, unmittelbare Verbesserungen sind allerdings noch nicht in Sicht. Uwe Wötzel von ver.di stellt fest, dass wir "ein sehr dickes Brett zu bohren haben, bevor es mehr Transparenz über Lieferketten und Verantwortungsübernahme durch die Konzerne für die Bedingungen entlang der Lieferketten gibt".

Die Verbraucher/innen stehen angesichts von Marktdominanz und steigenden Lebensmittelpreisen vor der schweren Frage nach Alternativen. Johanna Birk kann zwar nicht die ideale Lösung nennen, hält es aber für sinnvoll, fair gehandelte und regionale Waren einzukaufen, und zwar möglichst in Hofläden oder auf Wochenmärkten. Zu einer umfassenden Lösung gehöre zwingend das Umsteuern der Handelsketten.

Die Supermarkt-Initiative, das CorA-Netzwerk für Unternehmensverantwortung und die Kampagne für saubere Kleidung haben einen Appell an Bundeskanzlerin Merkel für gesellschaftliche Unternehmensverantwortung gestartet, dem sich Interessierte anschließen können. Der ver.di-Fachbereich Handel wird im Oktober gemeinsam mit anderen eine Studie zur Supermarktmacht am Beispiel der Orangensaftproduktion vorstellen.

www.cora-netz.de www.supermarktmacht.de