Guatemala

ver.di PUBLIK | Du warst gemeinsam mit Gewerkschafter/innen aus Mexiko, Frankreich und sieben anderen Ländern in Guatemala. Wie kam es zu der Mission?

Herbert Beck | Die Gesundheitsgewerkschaft SNTSG-FNL hatte uns um Hilfe gebeten. Die Kollegen wollen, dass die Unterdrückung von Gewerkschaftsarbeit und die Ermordung und Verfolgung von Gewerkschafter/innen international bekannt wird und wir Druck auf die Regierung des Landes ausüben. Allein in den letzten vier Jahren sind in Guatemala 58 Gewerkschaftsmitglieder ermordet worden. Keiner der Morde wurde aufgeklärt. Immer wieder werden Menschen erpresst und bedroht, werden Gewaltverbrechen an Frauen verübt. Diese Straftaten wurden bisher nicht verfolgt und geahndet. Das muss sich ändern. Guatemala steht im aktuellen Jahresbericht der Internationalen Arbeitsorganisation IlO an erster Stelle bei der Verletzung von Menschen- und Gewerkschaftsrechten.

ver.di PUBLIK | Was habt Ihr auf der Reise erlebt?

Beck | Besonders bewegt haben mich die Berichte von Kolleg/innen über ihren Alltag. So hat eine Frau davon erzählt, wie sie wegen ihrer Gewerkschaftsarbeit immer wieder bedroht wurde. Als sie sich nicht einschüchtern ließ, haben Attentäter sie vor ihrem Haus niedergeschossen. Erst in der Notaufnahme erwachte sie wieder. Sie hat Angst, das hat man gespürt, aber sie bleibt in der Gewerkschaft aktiv. Ein Kollege berichtete, dass sein Haus vier Wochen lang beschossen wurde, sodass er es nicht mehr verlassen konnte. Auch er setzt seine Gewerkschaftsarbeit fort. Mir ist das sehr nahe gegangen. Unsere Probleme relativieren sich auf einer solchen Reise.

ver.di PUBLIK | Konntet Ihr mit Politikern über die Situation sprechen?

Beck | Ja, wir haben die Generalstaatsanwältin der neu eingerichteten Strafverfolgungsbehörde getroffen, den Innenminister und sogar den Präsidenten. Er hat von einer "Schande für Guatemala" gesprochen. Sie haben zugesagt, die Verbrechen künftig zu verfolgen. Die Staatsanwältin will der Gewerkschaft jetzt Einblick in die Akten gewähren, der Minister will ein Dekret für den sozialen Dialog in den Betrieben erlassen. Wichtig war natürlich auch das große Echo auf unseren Besuch in vielen internationalen und nationalen Zeitungen. So ist etwas in Gang gekommen, das sagen auch die guatemaltekischen Kolleginnen und Kollegen, aber...

ver.di PUBLIK | ...man kann sich nicht darauf verlassen?

Beck | Das befürchten wir. Deshalb haben wir es dem Präsidenten klipp und klar angekündigt: Wir sorgen für mehr Öffentlichkeit in unseren Ländern. Wir beobachten, was in Guatemala geschieht. Und wir kommen wieder, spätestens im März 2014, wenn die IÖD dort einen Kongress veranstaltet. Dann kontrollieren wir, ob die grundlegenden Arbeitsrechte endlich umgesetzt werden. Das Land hat die Erklärung über die Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation unterschrieben. Es muss sich jetzt daran halten.

Interview: Claudia von Zglinicki

www.world-psi.org/en/issue/solidarity-guatemala

www.ilo.org

"Als die Gewerkschafterin sich nicht einschüchtern ließ, haben Attentäter sie vor ihrem Haus niedergeschossen"