Herbert Weisbrod-Frey leitet den Bereich Gesundheitspolitik bei ver.di

Gute Konjunktur, hohe Beschäftigung, milliardenschwere Rücklagen verdecken das Problem noch. Spätestens 2015 müssen alle gesetzlichen Krankenkassen (GKV) Zusatzbeiträge erheben. In Euro und Cent, so wie es die letzte Bundesregierung beschlossen hat. Mit dem GKV-Finanzierungsgesetz aus dem Jahr 2011 wurde der Solidarbeitrag der Arbeitgeber eingefroren. Alle künftigen Steigerungen müssen allein von den Versicherten bezahlt werden, von allen gleich viel, unabhängig davon, wie hoch das Einkommen ist. Die Höhe des Zusatzbeitrags legt die einzelne Krankenkasse fest. Experten erwarten, dass die monatliche Kopfpauschale bis 2020 auf durchschnittlich 72 Euro steigt. Wer das nicht zahlen kann, muss eine billigere Kasse finden oder nach Offenlegung der Einkünfte staatliche Hilfe in Anspruch nehmen. Besonders stark belastet werden Bezieher/innen kleiner und mitt-lerer Einkommen sowie Rentnerinnen und Rentner sein.

Auswirkungen dieses klammheimlichen Systemwechsels spüren die Patient/innen und Beschäftigten im Gesundheitswesen schon heute. Denn gesetzliche Krankenkassen stehen im Wettbewerb darum, den Zusatzbeitrag zu vermeiden. Vorenthaltene Leistungen für Kranke und erheblicher Kostendruck auf die Preise von Medizin, Therapie und Pflege sind die Folgen der verfehlten Politik gegen Versicherte und Kranke. ver.di fordert von der neuen Bundesregierung, den Irrweg der Gesundheitsminister Rösler und Bahr schnellstens zu verlassen. Der Zusatzbeitrag ist abzuschaffen und künftige Kostenentwicklungen sind solidarisch, also einkommensabhängig und paritätisch von Arbeitgebern und Versicherten zu tragen. Auch für Selbstständige brauchen wir faire Beiträge in der GKV. Das angenommene Mindesteinkommen als Grundlage der Beitragsbemessung benachteiligt gering verdienende Selbstständige. Maßstab muss das reale Einkommen sein. Und statt Vorauszahlungen durch die Versicherten brauchen wir die rasche Rückkehr zum Sachleistungsprinzip, auch bei Hörgeräten und Zahnersatz.