HERBERT-WEHNER-MEDAILLE

Landesbezirksleiter Wolfgang Abel (rechts) überreicht Michael Batz die Herbert-Wehner-Medaille

Alle zwei Jahre hat ver.di - früher die Deutsche Postgewerkschaft (DPG) - die Herbert-Wehner-Medaille verliehen. Mit dem Preis würdigt ver.di seit ihrer Gründung Personen, die sich durch couragiertes Verhalten in besonderer Weise für eine lebendige Demokratie engagiert haben. Personen, die unterschiedliche Anstöße gegeben und dabei auch bewusst in Kauf genommen haben, manchmal anstößig zu wirken.

Am 26. November 2013 wurde die mit 2000 Euro dotierte Herbert-Wehner-Medaille an den in Hamburg lebenden Theatermacher und Lichtkünstler Michael Batz verliehen. Der Künstler gab und gibt mit seinem großen persönlichen Engagement dem unbegreiflichen Schrecken des Nationalsozialismus und des Holocaust eine zeitgemäße und greifbare Form der Erinnerung. Michael Batz wirkt mit seinen Projekten und Aktionen, mit Lesungen, Installationen und Ausstellungen gegen das Vergessen und damit auch gegen Fremdenfeindlichkeit und Gleichgültigkeit in der Gegenwart.

Michael Batz

Michael Batz: "Ohne Gedächtnis gibt es keinen Widerstand. Je uferloser und unübersichtlicher die Gegenwart wird, desto mehr verschleiern sich die Maßstäbe, desto wahlloser und gleichgültiger werden die Haltungen, desto zufälliger wird eine Kultur des Engagements. Dann droht der Preis der Geschichte noch einmal gezahlt werden zu müssen, mit dem eigenen Leben.

Kein Zeitabschnitt hat so viele Biographien von Menschen zerstört oder gebrochen wie das 20. Jahrhundert. Daher ist die Erinnerung der Ort, an dem Wunden der Geschichte nicht nur Geschichte sind, sondern Vergewisserung für das Handeln. Niemand wusste das besser als diejenigen, die die Wunden der Geschichte selbst erlitten haben. Heute kann es jeder wissen, dank der Erinnerung."

Den Festvortrag anlässlich der Preisverleihung hielt Björn Engholm (SPD), ehemaliger Ministerpräsident Schleswig-Holsteins. Als Bundestagsabgeordneter wirkte er zusammen mit Herbert Wehner im Deutschen Bundestag.

Björn Engholm

Björn Engholm erinnert sich: "Für Herbert Wehner gab es drei unverrückbare Grundsätze.

1. Nie wieder Faschismus, nie wieder ein System, in dem Menschen durch dogmatische Korsetts eingeschnürt werden.

2. Eine Demokratie, in der Gerechtigkeit und Solidarität das Fundament für Freiheit legen, sodass Menschen nicht zum Spielball des Kapitalismus werden.

3. Eine Welt, in der Friedfertigkeit das Gleichgewicht der Waffen ersetzt: Friede durch Verständigung statt Aufrüstung.

Einen Preis, eine Medaille zu verleihen, die nicht nur den Namen Wehner trägt, sondern auch dessen Ziele repräsentiert: dafür verdient ver.di Respekt. Und dass die Gewerkschaft diese Auszeichnung Michael Batz zuerkennt, verdient umso mehr Respekt.

Das Dilemma unserer Zeit besteht darin, dass von frühest an nur der Verstand gefördert und belohnt wird - insbesondere ein Verstand, der sich ausrichtet an Kriterien wie Zweck-Nutzen, individuelle Karriere und Profitabilität. Andere Kriterien des Menschen, seine sinnlich-ästhetischen wie auch die sozialen in Erziehung, Bildung und Beruf, verlieren zunehmend an Bedeutung. Am Ende steht der Homo Ökonomicus - der bilanzsichere, promoviert mit 24, redegewandt, 4-sprachig, 60 Wochenstunden einsatzbereit und hoch qualifiziert, aber auch geschichts- und gesichtslos da."

ver.di-Landesleiter Wolfgang Abel betonte in seiner Begrüßungsrede, dass Gedenken für ver.di-Hamburg mehr als nur eine Rückschau, mehr als nur Reden sei. Gedenken und Erinnerung seien insbesondere das Bewusstmachen, wie der Faschismus entstehen konnte, sowie das Aufzeigen der politischen Verbindungslinien zwischen Faschismus, Rechtsradikalismus, Fremdenfeindlichkeit und sozialer Spaltung. Gedenken bedeute auch, die politisch historischen Ereignisse wachzuhalten und sie insbesondere der jungen Generation näher zu bringen. Nur wenn junge Menschen begreifen und nachempfinden könnten, was seinerzeit an Verbrechen passierte, und den Opfern des Faschismus aus Sicht der Jugend ein Gesicht gegeben werde, bestehe die Chance, dass Jugendliche in der Gegenwart und Zukunft ebenfalls den Mut aufbringen, Gesicht zu zeigen.

Freiheit, Recht und Würde existierten nur dort und auch nur so lange, wie wir sie alle gemeinsam stetig mit Leben erfüllen und verteidigen. Spardiktate, Lohnkürzungen und Massenentlassungen als Folge der Rettungspolitik für die Rendite der Bankenvorstände hätten rechte Tendenzen in Europa bestärkt. Insofern müsse die Arbeit gegen Rechte immer mit einem Engagement für soziale Gerechtigkeit verbunden sein.

Deshalb gilt für ver.di-Hamburg auch in Zukunft: Wer beim Kampf gegen Rechtsextremismus aufsteht, darf beim Kampf gegen Arbeitslosigkeit und soziale Spaltung nicht sitzen bleiben.

Gedenken und Erinnern - wie geht es weiter?

Diese Verleihung der Herbert-Wehner-Medaille war deshalb eine besondere, weil sie leider letztmalig stattfand. Der von der DPG seinerzeit gestiftete Medaillien-Fonds ist aufgebraucht. Dennoch besteht die Aufgabe fort, couragierte Bürgerinnen und Bürger zu ehren und damit auch eine Erinnerungsarbeit in einer lebendigen Demokratie zu unterstützen.

"Wer Anstöße geben will, muss auch bereit sein, anstößig zu wirken!" Dieses Leitmotiv, für das insbesondere Herbert Wehner als Person eingetreten ist, wird immer wichtiger, um einer Entwicklung von Oberflächlichkeit, Geschichtslosigkeit, Konformität und Ökonomisierung in breiten Teilen der Gesellschaft entgegenzutreten. Für ver.di-Hamburg wird die Erinnerungs- und Gedenkarbeit einen herausragenden Stellenwert behalten. Neben den vielfältigen Aktivitäten in Betriebsgruppen, Fachbereichen und Ausschüssen erfolgt dies seitens des Landesbezirksvorstandes zukünftig unter anderem in der Form, den Bertini-Preis aktiv zu unterstützen, der an junge Menschen mit Zivilcourage verliehen wird. Wider das Vergessen, damit niemals mehr geschehe, was einst geschah!