Ein haariges Thema: Gesundheitsschutz im Friseurhandwerk

Allergien und Hautreizungen, Chemiedämpfe und Rutschgefahr: Der Arbeitsalltag im Friseursalon birgt viele Gesundheitsgefahren. Doch verbindliche Sicherheitsstandards werden von der sonst so regelfreudigen EU-Kommission und ihrem Präsidenten José Manuel Barroso blockiert. Der Dachverband europäischer Dienstleistungsgewerkschaften UNI spricht von einem "Frontalangriff" auf Arbeitnehmerschutzrechte und kündigte bei einer Pressekon- ferenz in Hannover Klage vor dem Europäischen Gerichtshof an.

Auch in Niedersachsen sind die Handwerksinnung und ver.di empört. Wie auf europäischer Ebene auch, warten hier die Sozialpartner seit gut 20 Monaten auf die überfällige europäische Richtlinie für mehr Gesundheitsschutz im Friseurhandwerk. Seit April 2012 gibt es lediglich eine Rahmenvereinbarung zwischen UNI und dem Arbeitgeberverband Coiffure EU, der Vertretung von Fachbetrieben aus 20 EU-Ländern.

Weniger Hauterkrankungen

Angelehnt an deutsche Vorschriften sind in dieser Vereinbarung elementare Standards beschrieben: Schutzhandschuhe bei Haarwäsche und Umgang mit Färbemitteln, rutschfeste Böden, Belüftung der Salons und Sitzmöglichkeiten am Arbeitsplatz. Für UNI-Generalsekretär Oliver Röthig sind solche Regelungen auch für Kunden wichtig: "Ich möchte nicht, dass mir jemand mit dem Rasiermesser im Nacken steht und dann den Halt verliert."

Bestätigt wird der Sinn der Sicherheitsstandards durch positive Erfahrungen im deutschen Friseuralltag. Röthig zufolge blieben Friseur/innen gesünder, Sozialsysteme würden entlastet und Arbeitgeber könnten Versicherungskosten sparen. Der Geschäftsführer des Landesinnungsverbandes Marc Jeziorowski bestätigt: Seit 1991 sei allein durch das Tragen von Sicherheitshandschuhen die Zahl der berufsbedingten Hauterkrankungen von Friseur/innen von bundesweit jährlich 4516 auf ein Viertel gesunken, die Entschädigungen der Berufsgenossenschaft gingen sogar um 70 Prozent zurück.

Gewinne contra Gesundheit

Die EU-Kommission begründet ihre Blockade gegen eine europäische Richtlinie für den Haarpflegesektor damit, dass sie ein "Musterbeispiel für ausufernde Bürokratie" sei. Kommissionspräsident Barroso lästert über Friseurinnen in hochhackigen Schuhen, die EU dürfe nicht jedes Kleidungsstück regulieren, so seine Rede gegen allgemeine Schutzvorschriften im Friseurgewerbe.

Dagegen fordert der Dachverband UNI zum Kurswechsel auf. Barroso solle aufhören, mit der Gesundheit und Sicherheit der Beschäftigten zu spielen. Generalsekretär Röthig kritisiert Barrosos Strategie "REFIT - fit for growth" (Umrüsten - fit für Wachstum), die gerade von der Kommission veröffentlicht wurde: "Diese Strategie zieht das europäische Sozialmodell und die grundlegende Rolle der Gewerkschaften als Sozialpartner ernsthaft in Zweifel."

Die Haltung der Kommission kann laut Röthig als Signal interpretiert werden, dass sie ein soziales Europa als Hindernis für die Gewinnerzielung betrachte. Er hat deshalb angekündigt, dass der Dachverband europäischer Dienstleistungsgewerkschaften UNI zusammen mit seinen Partnern den Gang zum Europäischen Gerichtshof in Luxemburg nicht scheuen werde.