HEBAMMEN

Auffallender Protest: Eine von tausenden Hebammen auf einer Demo

von Petra Welzel

Ruft man dieser Tage in der Pressestelle des Bundesgesundheitsministeriums an, nachdem inzwischen tausende Hebammen, Frauen, Männer und Kinder protestieren, weil ab dem Sommer 2015 keine Versicherung mehr eine Berufshaftpflichtversicherung mit den rund 15 000 freiberuflichen Hebammen abschließen will, ist die schlichte Antwort: "Wir suchen eine Lösung." Bis wann und was für eine? Keine Antwort. Als wäre noch ganz viel Zeit. Dabei ist schon ab diesem Sommer die Geburtshilfe rein freiberuflich arbeitender Hebammen nicht mehr versichert. Das sind rund 1 000 Hebammen, die mit keiner Klinik und keinem Geburtshaus zusammenarbeiten. Anfragen für Vor-, Nachsorge und Geburt ab dem 1. Juli 2014 müssen sie ablehnen, weil ihre Arbeit dann nicht mehr versichert sein wird.

Fragt man Barbara Ahlers, 57 Jahre alt und seit 27 Jahren freiberufliche Hebamme am Perinatalzentrum Datteln in Nordrhein-Westfalen, sagt sie: "Aus unserer Sicht geht es ums Ganze. Die wollen uns aus der Geburtshilfe raushaben." Die, das sind die Versicherer, die seit Jahren die Haftpflichtprämien erhöhen, zum Beispiel von 2 370 Euro 2009 auf 5 091 Euro im Jahr 2014. Ein Summe, um allein das Risiko einer Geburtskomplikation abzudecken, die sich eigentlich keine Hebamme mehr leisten kann. Ihre Vergütungen sind nämlich skandalös niedrig. Die Pauschalen in der Vor- und Nachsorge bewegen sich je nach Leistung zwischen rund 7 und 40 Euro, für eine Geburtsbegleitung erhält eine Hebamme zwischen 280 und 830 Euro, je nachdem, ob es sich um eine Geburt im Krankenhaus, eine Geburt in einem Geburtshaus oder eine Hausgeburt handelt. Man kann sich leicht ausrechnen, dass kein Spitzenlohn dabei herauskommt, wenn man zwei bis drei Geburten im Monat begleitet und vielleicht ein Dutzend Schwangere und Mütter mit Neugeborenen betreut. Geschweige denn, dass tausende Euro jährlich für eine Berufshaftpflichtversicherung übrig bleiben.

Es geht um 15 000 Hebammen

Vom Gesetz her sind die Hebammen verpflichtet, eine solche Versicherung abzuschließen. Haben sie ab dem 1. Juli 2015 keine mehr, nicht einmal mehr eine, die die Risiken der Vor- und Nachsorge von Schwangeren und Müttern abdeckt, stehen sie geradezu vor einem Berufsverbot. Es geht dabei keineswegs um knapp 2 Prozent Geburten, die angeblich im Jahr von freiberuflichen Hebammen begleitet werden. Eine Zahl, die auch das Bundesgesundheitsministerium gern in die Waagschale wirft. Tatsächlich könnten von diesem Berufsaus 15 000 von insgesamt 22 000 Hebammen betroffen sein. Allein 3 500 von ihnen bringen schon heute knapp 150 000 der rund 700 000 Neugeborenen in Deutschland pro Jahr auf die Welt. Und hinzu kommt: Die Eltern aller 700 000 Neugeborenen werden dann keine sogenannte Wochenbettbetreuung mehr haben, denn die decken tatsächlich allein die freiberuflichen Hebammen ab.

Aber der Hebamme Barbara Ahlers geht es nicht nur um die nackten Zahlen. Ihre Arbeit drehe sich ja nicht allein um Mutter und Kind. Sie arbeiten auch mit öffentlichen Stellen wie Jugendämtern oder konfessionellen Trägern zusammen, die jungen Familien Hilfsangebote machen, wenn das Geld nicht reicht oder die Nerven wegen der Umstellung blank liegen, Mütter und Väter schlichtweg überfordert sind. "Somit verstehen wir unsere Tätigkeit als Aufgabe am Ursprung und der Basis der Gesellschaft", sagt Barbara Ahlers, und: "Im Verhältnis zu den Banken, die so schnell gerettet wurden, finden wir unsere Arbeit wirklich systemrelevant."

Nicht nur weiter Beobachten

Es geht also um sehr viel mehr als eine hochwertige Geburtshilfe, wenn den Hebammen die Ausübung ihres Berufs mangels Versicherung verwehrt wird. Aber auch die Geburtshilfe ist gefährdet. In ländlichen Regionen arbeiten in Kliniken ganze Kreißsäle allein mit freiberuflichen Hebammen. Wegen der inzwischen horrenden Versicherungssummen mussten in den vergangenen zehn Jahren schon 30 Prozent der Kreißsäle laut dem Deutschen Hebammenverband geschlossen werden.

"Auch Ärzte - gerade Gynäkologen - und Krankenhäuser geraten zunehmend in große wirtschaftliche Bedrängnis", hat Ruth Pinno, Vorsitzende des Bundes freiberuflicher Hebammen Deutschlands, am 25. Februar 2014 an Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe, CDU, geschrieben. Ähnlich wie ver.di eine Übernahme der Hebammenversicherung durch öffentliche Versicherer fordert, fordern die Hebammen eine Staatshaftung, wie es sie in den Niederlanden und einigen skandinavischen Ländern gibt. "Eines jedenfalls wollen wir nicht", schreibt Ruth Pinno weiter, "nämlich - siehe Koalitionsvertrag - weiter ,beobachtet' werden. Darüber sind nun Jahre untätig vergangen."

REPORTAGE G4-G5