Fußball auf Italienisch

Matthias von Arnim: Piagnolia - Der Countdown läuft: noch 78 Tage bis zum Endspiel der Fußball-WM - in Rom. Vor genau 80 Jahren. Der Weltmeister steht bereits fest und heißt Italien. So hat es Mussolini entschieden. Das soll Ruhm und internationales Prestige bringen - vor allem für das faschistische Regime. Vor diesem historisch belegten Hintergrund setzt Matthias von Arnims Debütroman ein und erzählt, wie hinter den Kulissen manipuliert, bestochen, erpresst, gedopt und sogar gemordet wird. Denn der Duce hat seine Schergen um den Oberst Briccone ausgesandt, damit sie das Wunschergebnis unter Dach und Fach bringen. Schiebung, Schmu und Wettbetrug nehmen ihren Lauf.

Unversehens gerät auch Piagnolia in diesen Strudel, ein idyllischer Ort nahe Florenz. Plötzlich taucht Guido Ventura wieder auf, verloren geglaubter Sohn des Städtchens, den Briccone schon vor Jahren beim Militär dazu gezwungen hatte, für ihn als Handlanger zu arbeiten. Sein aktueller Auftrag: die Verwaltung und Vermehrung der schwarzen WM-Kassen. Doch Guido reicht's und er setzt sich ab - mit einem Koffer voller Schmiergeld, das eigentlich die griechische Mannschaft zur Niederlage gegen Italien bewegen sollte. Während Guido das geklaute Geld in Piagnolia großzügig unter die Bewohner verteilt, sind ihm die Häscher längst auf den Fersen. Und erwischen ihn auch. Der Oberst nimmt ihn als Geisel und fordert ein unglaubliches Lösegeld, das Piagnolia niemals aufbringen könnte: 200.000 Lire oder Guido wird ewig im Kerker schmoren. Eigentlich hat Piagnolia keine Chance, doch die cleveren Bürger nutzen sie bestens. Der Kampf David gegen Goliath ist eröffnet. Und die kleinen Leute aus der Toscana schlagen mit allen Mitteln zurück - vor allem mit denen, die der Gegner selbst benutzt. Es wird getrickst und gewettet, was das Zeug hält. Am Ende ist der Duce nicht sehr amüsiert, und Briccone stellt sich seinem verdienten Schicksal.

Dieses Buch ist weit mehr als nur ein Fußballkrimi. Das ist es auch, und zwar ein spannender. Aber vor allem ist dies ein hinreißender Italien-Roman - und eine Parabel darauf, wie Gemeinsinn, Solidarität, Zivilcourage und Widerstand den Mächtigen kräftig zusetzen können. Macht's gut, ihr Leute von Piagnolia. Viele schwierige Geschichten liegen noch vor euch. Meistert sie ebenfalls mit List, Witz und Renitenz. Vielleicht lesen wir ja mal wieder von euch! Tina Spessert

Verlag Die Werkstatt, 288 Seiten, 14,90 €


Thierry Smolderen, Alexandre Clérisse: Das Imperium des Atoms - Paul ist ein junger Mann, der im Dienst der amerikanischen Regierung tätig ist. Gestresst von der belastenden Arbeit flüchtet sich der Science-Fiction-Fan in Tagträumereien, in denen er heldenhaft böse, galaktische Imperien bekämpft. Als eine dem Scientology-Gründer L. Ron Hubbard nicht ganz unähnliche Figur in der Realität ein "Imperium des Atoms" errichten will, ist Paul sofort alarmiert ... Paul Linebarger gab es tatsächlich und er war eine äußerst illustre Persönlichkeit: Sein Patenonkel hatte die erste behelfsmäßige Präsidentschaft im nachkaiserlichen China inne. Zudem beriet er US-Präsident Kennedy, schrieb über psychologische Kriegsführung und verfasste nebenher utopische Literatur. Der Comic wimmelt daher von Anspielungen und Referenzen. Diese muss man aber nicht kennen, um dem Abgesang auf eine Kultur des Wunders in pastellig-heiteren bis dunkelgrauen Farbtönen zu lauschen. Die Kritik an naivem Fortschrittsglauben und Größenwahn nebst liebevoll karikierten Figuren überzeugt auch so und umgeht dabei geschickt gängige Muster derzeit am Markt erfolgreicher Comic-Biografien. Oliver Ristau

Carlsen Verlag, Aus dem Französischen von Uli Pröfrock, 144 S., 22,90 €


Stefan Bachmann: Die Seltsamen - "Magie ist nur so klug wie der, der sie anwendet." Das sagt in diesem ungewöhnlichen Fantasyroman eine böse Figur. Stefan Bachmann war klug genug, in seinem Debüt, das er mit 16 schrieb, nicht zu viel Magie anzuwenden, sondern wie ein erfahrener Erzähler sein fiktives viktorianisches England aufzublättern, das sich nach einem gewonnenen Krieg gegen die magische Welt in Sicherheit glaubt. Bis auf eine kleine Oberschicht sind die Feenwesen versklavt und entrechtet in dieser Gesellschaft. So liest sich die Außenseitergeschichte auch, als handle sie von Rassismus, der alltäglich, aber auch mörderisch ist. Die Hauptfigur, der Junge Bartholomew Kettle lebt in einem Slum für die Unterschicht des Feenvolkes. Er und seine Schwester Hettie sind sogenannte "Seltsame", diskriminierte und bedrohte Mischlinge, hervorgegangen aus der Verbindung von Mensch und Feen. Bartholomew wird gegen seinen Willen zum Kämpfer, weil er begreift, dass die Welt am Vorabend eines neuen Krieges steht. Bettina Klix

Aus dem amerikanischen von Hannes Riffel, Diogenes Verlag 2014, 367 S., 16,90 €


Ernst Paul Dörfler: Liebeslust der Vögel - Alle Vögel sind schon da, zwistchern, zirpen, tirilieren. Wer mehr darüber erfahren möchte, was Zaunkönige, Gänse, Rohrsänger und Goldammern jetzt im Frühjahr so treiben, sollte dieses ebenso vergnügliche wie interessante Buch lesen. Hier erfährt man viel über den Alltag und das Familien- und Sexualleben unserer gefiederten Zeitgenossen - und das ist so vielfältig wie bei den Menschen. Tannenmeisenmännchen sind beispielsweise ausgesprochene Casanovas, vor allem wenn sie schon etwas älter sind. So ist sicher, dass jedes Männchen auch zahlreiche Kuckuckskinder durchfüttert. Dagegen ist der Girlitz ein eifersüchtiger Bewacher seines Weibchens und hat damit Erfolg: Die Vaterschaftstests der Ornithologen belegen, dass so gut wie nie ein fremd befruchtetes Ei im Nest liegt. Auch Homosexualität kommt unter Vögeln durchaus vor: Haubentaucher und Flussseeschwalben sind Beispiele dafür. Viele Vögel pflegen Saisonehen, die sich auflösen, sobald der Nachwuchs flügge ist. Dagegen sind Käuzchen und Adler einander ein Leben lang treu. Gänse legen sogar ein halbes Trauerjahr ein, bevor sie sich nach dem Tod des Partners neu binden, und die gleichberechtigteste Partnerschaft pflegen Kranichpaare. Annette Jensen

Edition Sächsische Zeitung, 168 S., mit Abbildungen, 14,90 €