Watermark - Die Sorge darum, dass das Wasser für die wachsende Weltbevölkerung bald nicht mehr ausreichen und sogar Kriege entfachen könnte, geht schon seit längerer Zeit um. Diese Einsicht hat jedoch kaum bewirkt, dass Menschen sparsamer mit dem Trinkwasser haushalten. Im Gegenteil: In einigen Ländern, die Jennifer Baichwal und Edward Burtynsky mit der Kamera bereisten, werden die kostbaren Ressourcen nahezu dekadent verschwendet. Die Dokumentarfilmer stellen 20 ausgewählte Schauplätze in unterschiedlichen Kontinenten vor, an denen Menschen in den natürlichen Wasserkreislauf eingreifen und damit die Umwelt belasten oder gar zerstören.

So hat zum Beispiel in Kalifornien der Bau eines Aquädukts bewirkt, dass der Owen's Lake im Laufe von hundert Jahren ausgetrocknet und heute nur noch eine giftige Grube ist. Vor allem aber auch in Dhaka, der Hauptstadt Bangladeschs, finden sich haarsträubende Zustände. Die Arbeiter einer Gerberei verbrauchen hier täglich Tausende von Litern zum Färben und Spülen von Schuhleder. Ungefiltert bahnt sich das Wasser einen Weg durch die Straßen, bevor es zu einem stinkenden Bach wird. Solche Szenen, unterfüttert mit wissenswerten Fakten, regen zum Nachdenken über Umweltschutz an, gleichwohl ist Watermark kein belehrender, vielmehr ein künstlerischer Film, in dem sich Kritik am Raubbau der Ressourcen unterschwellig vermittelt. Mannigfaltig und spektakulär zeigt er die Formen und Bewegungen des Wassers als eine unerschöpfliche Quelle der Faszination: Impressionen von gigantischen, tosenden Wellen, die an Gemälde des Romantikers John Constable erinnern, imposante Staudämme oder kunstvoll terrassierte Reisfelder. Einige Tableaus von Feldern oder Sammelbecken sehen wie Ornamente aus, weil sie aus großer Höhe fotografiert wurden.

Den denkbar größten Kontrast dazu bilden Aufnahmen von knochentrockenen Böden mit großen Rissen. Schönheit, Tristesse, Poesie und Dekadenz liegen dicht nebeneinander. Zugegeben: Die Auswahl der Orte wirkt beliebig. Man könnte sich fragen, warum Regionen wie Afrika oder der Nahe Osten fehlen, in denen es bereits massive Konflikte um Wasser gibt. Mit seinem weit gespannten Bogen von der Landwirtschaft über die Klimaforschung bis hin zu religiösen Zeremonien am Ganges wirkt der Film auch thematisch überfrachtet. Visuell aber empfiehlt sich Watermark als eine der faszinierendsten Naturdokumentationen der letzten Jahre. Kirsten Liese

Kanada 2013, R: Jennifer Baichwal/Edward Burtynsky, 92 Min., Start: 15.4.14


Fräulein Else - Die berüchtigte Novelle des Österreichers Arthur Schnitzler erschien 1924, spielte in Italien und wurde in der Weltwirtschaftskrise 1929 zum ersten Mal verfilmt. Den Stoff um Sex - oder zumindest skandalöse Nacktheit - und den Zwang zur Familienloyalität übersetzt die neue Version ins Ambiente eines zeitgenössischen Indientrips. Auch in diesem knapp erzählten Spielfilmdebüt soll Tochter Else ihren ständig in Geldprobleme geratenden Vater und die Familie vor dem nahenden Ruin retten. Die Mutter suggeriert ihr mehr oder weniger subtil, sich dafür an einen Finanzkrisengewinnler zu verkaufen, der im gleichen Luxushotel weilt. Diese Interpretation verbindet glaubwürdig die Gier der Berechnenden mit der treuen Hilflosigkeit der Hauptfigur, Ausritten auf Touristenelefanten sowie einem Tigerauftritt, der ausgestopft im Salon endet. Der schambeladene Tablettentod der Heldin aber wird nun ersetzt durch ihre Flucht vor allem wirtschaftlichen und sexuellen Kalkül in ein Wachkoma der Überforderung. Jutta Vahrson

IND/D/AU 2013. R: Anna Martinez. D: Korinna Krauss, Martin Butzke, Katalin Zsigmondy, Michael Kranz, Marion Krawitz, 70 Min., Kinostart: 22.5.14


Snowpiercer - Am Anfang war die Graphic Novel. Und die Apokalypse. Schneekreuzer erzählte vom Überleben unserer Spezies, die deutlich mehr Probleme hat als eine neue Eiszeit. In der Zusammenarbeit dreier französischer Autoren und Zeichner wurde daraus ein legendärer Mehrteiler, im Original Le Transperceneige. Jahre später verliebte sich der koreanische Kultregisseur Joon-Ho Bong (The Host, Mother) in einem Comicladen in Seoul in diesen Bilderroman. Durch seine Filmadaption wächst die tragische Rebellenstory über sich hinaus. In einem Zug, der mit den allerletzten Homo Sapiens über die - aus Versehen, upps! - vollkommen vereiste Erde streift, steht jeder Waggon für eine gesellschaftliche Gruppe. Die Armen ganz hinten am Zugende werden erst zu Kannibalen und dann zu Revolutionären, die den Diktator vorne im Maschinenraum stürzen wollen und müssen. Im Gegensatz zum Comic kämpfen in der parabelhaften Verfilmung verschiedene Ethnien gegeneinander. Bis sich die Underdogs gegen den Zugchef-Klassenfeind verbünden. Hoffnungsvoller kann eine Dystopie kaum sein. Jutta Vahrson

ROK/GB/US 2013. R: Joon-HO Bong. D: Chris Evans, Kang-Ho Song, Tilda Swinton, Jamie Bell, Ed Harris, John Hurt, 126 Min., Kinostart, Kinostart: 3.4.14