Ausgabe 03/2014
Zehn Jahre Scheinwerkvertrag
Jüdisches Museum Berlin: Mitarbeiterforderungen werden ignoriert
BERLIN - Für das Jüdische Museum Berlin (JMB), eines der berühmtesten und meistbesuchten Berliner Museen, ist es "in kulturellen Institutionen dieser Größenordnung gängige Praxis". Helge Biering vom ver.di-Fachbereich Besondere Dienstleistungen im Bezirk Berlin-Brandenburg spricht von einem "Scheinwerkvertrag". Worum geht es? Das von einer Bundesstiftung getragene Haus schreibt seinen Besucherservice jährlich als Werkvertrag aus, und in den letzten zehn Jahren gewann immer eine Firma namens Xenon den Auftrag. Einige der rund 130 Xenon-Angestellten im JMB sind auch schon so lange dabei.
Die Angestellten beaufsichtigen Ausstellungen sowie die Garderobe und beantworten auch schon mal inhaltliche Fragen. Bis vergangenen Herbst erhielten sie 7,50 Euro brutto pro Stunde, seither 8,20 Euro. Sonn- und Feiertagszuschläge gibt es nach wie vor nicht. "Auch wenn wir bei Veranstaltungen bis nach Mitternacht da sind, bekommen wir das gleiche Geld", sagt eine betroffene Person. Die Xenon-Belegschaft bestehe zwar überwiegend aus Studierenden, die kämen aber aus einschlägigen Fächern und beherrschten zudem zum Teil Fremdsprachen, was dem Museum sehr zu Gute komme. Wären sie bei der Bundeseinrichtung angestellt, müssten sie nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) bezahlt werden.
Die Unzufriedenheit der Beschäftigten mit der Arbeitssituation hat sich schon lange manifestiert. Im Februar 2010 nahm ein Betriebsrat die Arbeit auf, der nach Aussage eines Mitglieds allerdings vom Museum weitestgehend ignoriert wird - er habe ihm gegenüber ja auch keine wirkliche Macht. Ein Brief an den Stiftungsrat habe ebenfalls keine Lösung gebracht.
Wenn die Fronten so verhärtet bleiben, wird ein Gericht über einen Arbeitskampf entscheiden müssen, der schon seit langem schwelt und nun eskaliert: Anfang April ging ein Teil der Xenon-Belegschaft - zu über einem Drittel ver.di-Mitglieder - an die Öffentlichkeit, indem sie bei der Eröffnung einer Sonderausstellung am Eingang eine Kundgebung abhielten. Der Grund: Die Beschäftigten fürchten nun um ihre Arbeitsplätze. Der aktuelle Vertrag mit Xenon wurde nämlich im Dezember bis Ende Juli befristet.
Das Museum könnte das Personal in einer eigenen GmbH weiterbeschäftigen, oder auch, indirekt, durch die Verpflichtung für einen Xenon-Nachfolger, die Leute zu übernehmen, sagt ver.di-Mann Helge Biering. Doch könnte eine Ausschreibung nach Kriterien der Arbeitnehmerüberlassung, also offizielle Leiharbeit, den Nachteil haben, dass ein Teil der Belegschaft, je nach konkreten Tätigkeiten und Fähigkeiten, einen geringeren Stundenlohn als bisher erhält.
Schon ein Urteil wegen illegaler Leiharbeit
Das Museum, das mehrere Anfragen nur schriftlich beantwortet hat, teilt mit, dass für Anfang Mai die Veröffentlichung der Ausschreibungsbedingungen geplant sei, es über den Inhalt - also auch dazu, ob es um Leiharbeit geht - aber noch nichts sagen dürfe. Für Helge Biering steht schon jetzt fest, dass Xenon die Voraussetzungen für offizielle Leiharbeit nicht erfüllt.
Möglicherweise muss das Museum die Xenon-Leute aber auch selbst einstellen. Es waren nämlich ebenfalls Xenon-Beschäftigte, die im September 2013 eine gerichtliche Verurteilung der Heinrich-Böll-Stiftung wegen illegaler Leiharbeit erreichten. Sie hatten dort jahrelang Veranstaltungen betreut und müssen nun von der Parteistiftung von Bündnis 90 / Die Grünen angestellt und nach TVöD bezahlt werden. Zu vermuten ist, dass diese Vorgänge das Jüdische Museum Berlin zur Beendigung des Xenon-Engagements veranlassten. Auch gegen das Museum laufen entsprechende Klagen. Gerichtstermine standen bei Redaktionsschluss aber noch nicht fest.