Ausgabe 04/2014
Pressestimmen
SÜDDEUTSCHE ZEITUNG, 14. Mai 2014
Es wabert ein Wunsch durch die Halle, seit Stunden oder vielleicht sogar seit zwei Tagen schon. Am Dienstagmittag, kurz vor halb eins, wird er endlich erfüllt. Frank Bsirske steht jetzt am Rednerpult, der Vorsitzende von Verdi, er spricht über den Mindestlohn und wie die Arbeitgeber derzeit versuchen, Ausnahmen durchzusetzen. Bsirske erzählt auch von einem Rechtsanwalt bei Cottbus, der seinen Gehilfen 1,54 Euro die Stunde zahlt, und er sagt, nein, er ruft die Forderung in den Saal, der Lobbyarbeit der Arbeitgeber etwas entgegenzusetzen. "Machen wir uns auf den Weg und zeigen es denen, die Hungerlöhne vorantreiben wollen!" Da klatschen die Delegierten nicht nur, da jubeln sie. Der Wunsch, der durch die Halle gewabert war, lautet: "Man muss doch auch mal das Herz ansprechen."
Zupackende Gewerkschafterin
SÜDDEUTSCHE ZEITUNG, 13. Mai 2014
Der DGB vereint acht Gewerkschaften unter seinem Dach, und nur noch vier von deren Vorsitzenden sind Sozis - zwei dieser acht Gewerkschaften werden inzwischen sogar von Frauen geführt; auch bei den Gewerkschaften dominieren Männer nicht ewig. Unter diesem Gesichtspunkt ist weniger die Wahl von Hoffmann bemerkenswert als das Ergebnis seiner Stellvertreterin Elke Hannack. Sie gehört der CDU an, und jahrzehntelang galt beim DGB die Regel: Christdemokraten werden nur zähneknirschend gewählt. Hannack aber erhielt 88 Prozent. Die Frau gilt weithin als zupackende, authentische Gewerkschafterin; ihr Parteibuch ist den Kollegen egal. So soll es sein.
Oberster Lobbyist
STUTTGARTER ZEITUNG, 13. Mai 2014
Der DGB-Chef ist kein rückwärtsgewandter Ideologe, sondern dürfte mit allen Parteien konstruktiv zusammenarbeiten. Den von Sommer eingeschlagenen Weg eines eigenständigen Gewerkschaftsbundes, der sich vor keinen Karren spannen lässt, wird er forcieren. Dies mag schmerzhaft sein für die SPD, die ihre Basis im Arbeitnehmerlager hat, bringt dem DGB aber mehr Handlungsfreiheit und Einfluss. Hoffmann ist ein Mann des Konsenses, was die Konflikte im Gewerkschaftsbund bremsen sollte. Wer den Sommer-Nachfolger als Leichtgewicht einstuft, könnte sich täuschen. Fraglich ist jedoch, ob IG Metall, Verdi oder die Chemiegewerkschaft ihren obersten Lobbyisten als führende politische Stimme anerkennen oder weiter ihr eigenes politisches Spiel betreiben. Konkurrenz mag das Geschäft beleben, doch haben die Gewerkschaften nur dann politisches Gewicht, wenn sie sich einig zeigen.
Nicht mehr als Blockierer abgestempelt
BERLINER ZEITUNG, 13. Mai 2014
IG Metall, Verdi und Co sind nicht mehr im politischen Abseits. Sie werden nicht mehr als Blockierer und Betonköpfe abgestempelt, wie es vor zehn Jahren üblich war, als Rot-Grün die Rechte von Arbeitslosen beschnitt, den Arbeitsmarkt deregulierte und die Rente mit 67 beschloss. Nun hört die Politik wieder auf die Gewerkschaften und ist bereit, Korrekturen in der Sozialpolitik vorzunehmen. Besonders stolz ist der DGB, dass er den Mindestlohn und die Rente mit 63 für langjährig Versicherte durchgesetzt hat. Gerade der Mindestlohn ist richtig und wichtig, aber kein Zeichen für die Stärke der Gewerkschaften. Lohnpolitik ist ihr Kerngeschäft, sie sind dafür zuständig, mit den Arbeitgebern die Einkommen der Arbeitnehmer auszuhandeln. Die Gewerkschaften haben über Jahrzehnte darauf bestanden, dass sich der Staat aus der Lohnpolitik herauszuhalten hat. Das Ergebnis: In Deutschland haben sich die Einkommen seit Mitte der 90er-Jahre stark auseinanderentwickelt, die Gehälter der Besserverdienenden sind gestiegen, die Reallöhne von Geringverdienern über Jahre gesunken. [...] Der Mindestlohn ist nötig, weil die Gewerkschaften zu schwach waren, um die Ausbreitung von Niedrigstlöhnen zu verhindern.