In Deutschland fehlen Pflegekräfte, in Spanien und anderen Krisenländern finden sie keine Arbeit. Denn in Folge der Wirtschafts- und Finanzkrise sind in diesen Ländern auch im Gesundheitswesen viele Leistungen gekürzt worden. Deswegen hat die Gesellschaft für medizinische Intensivpflege (GIP) Ende 2011 begonnen, in Spanien, Portugal und Griechenland Pflegekräfte anzuwerben. "Work and Travel", Arbeit und Reisen, hieß das Programm, mit dem vorwiegend junge Pflegekräfte für die dauerhafte Arbeit in Deutschland gewonnen werden sollten.

Der "Aspekt" Reisen beschönigt. Die Angeworbenen sind zwar schwerpunktmäßig in Berlin tätig, wo sich auch der Hauptsitz der Gesellschaft befindet. Sie können aber immer wieder für kürzere Zeitabschnitte auch an den zahlreichen anderen Standorten des bundesweit aktiven Unternehmens eingesetzt werden. Auch dort arbeiten sie dann in der außerklinischen Intensivpflege und kümmern sich in Zwölf-Stunden-Schichten um ihre Patient/innen, die zum Teil in ihren Familien, aber auch in Wohngemeinschaften leben.

Dafür erhalten sie 9,50 Euro pro Stunde plus Zulagen. Schnell haben die spanischen Pfleger/innen herausgefunden, dass sie schlechter bezahlt werden als viele ihrer deutschen Kolleg/innen. Durch Vermittlung der gewerkschaftlichen Aktionsgruppe "15mgas", ein Netzwerk politisch aktiver Spanier/innen in Berlin, kamen sie mit ver.di in Kontakt. Schon beim ersten Treffen sind viele von ihnen in die Gewerkschaft eingetreten, um ihre Rechte durchzusetzen.

Ob die spanischen Pflegekräfte bei der GIP tatsächlich schlechter bezahlt werden als ihre deutschen Kolleg/innen, kann ver.di-Sekretär Kalle Kunkel bislang nicht nachweisen. In der GIP mit ihren zirka 2000 Beschäftigten gibt es keinen Betriebsrat. Der Gewerkschafter verweist aber auf den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst. Kommt ein spanischer GIP-Beschäftigter mit Zuschlägen im Monat auf rund 2000 Euro, liegt das Einstiegsgehalt im öffentlichen Dienst ohne Zuschläge bei 2282 Euro. Durch den herrschenden Fachkräftemangel werde momentan ein Einstiegsstundenlohn von 13 bis 15 Euro gezahlt, so Kunkel.

Wechsel wäre kein Problem

In besser bezahlte Arbeitsverhältnisse zu wechseln, wäre kein Problem, sagt Kunkel. Doch enthalte der Arbeitsvertrag eine Bindungsklausel. 18 Monate müssen die examinierten Pflegekräfte aus Spanien im Unternehmen bleiben. Scheiden sie früher aus, werden 6600 Euro fällig. Damit rechnet die GIP die Kosten für die ersten sechs Monate ab. In dieser Zeit absolvieren die Spanier/innen einen Sprachkurs, damit sie in Deutschland arbeiten können. Der wird über den Europäischen Sozialfonds finanziert. Die GIP bezahlt den Teilnehmenden aber 900 Euro im Monat, und das Geld will sie bei einem vorzeitigen Ausscheiden wiederhaben.

Über den geringen Lohn verdiene die GIP gut an den Angeworbenen, sagt Kunkel. Allerdings seien die Bindungsklauseln juristisch möglich. Deswegen hat ver.di gemeinsam mit den spanischen Beschäftigten öffentlichen Druck aufgebaut. Zahlreiche Medien haben über den Fall berichtet, darunter auch viele spanische. Mittlerweile hat Kalle Kunkel auch Kontakt zu Beschäftigten aus anderen Pflegediensten. Er weiß, dass die GIP kein Einzelfall ist und dass diese Benachteiligung examinierte Pflegekräfte trifft, die aus ganz unterschiedlichen Ländern nach Deutschland eingewandert sind. Deswegen sieht er die Politik gefordert. Sie müsse die Rahmenbedingungen für die Zuwanderung verbessern.

Die GIP hat mittlerweile das Programm "Work and Travel" eingestellt. Diesen Schritt begründet sie auf ihrer Homepage mit den "steigenden Ansprüchen" und der "Unzufriedenheit einzelner Mitarbeiter des Programms". hla