Karstadt

Keine Chance mehr für Billstedt

Manager-Konzepte vorbei an Kundenwünsch

Die Entscheidung, die Karstadt-Filiale in Hamburg-Billstedt zu schließen, hat die Beschäftigten wie ein Blitz getroffen. Nicht nur, weil Karstadt im Billstedter Einkaufszentrum einen Mietvertrag bis 2021 hat. Auch das Management hatte erst vor kurzem verkündet, dass alle Karstadt-Häuser bundesweit die Möglichkeit erhalten sollten, sich am Markt wieder positiv aufzustellen. Eine Aussage, die aus Sicht der Beschäftigten konstruktiv war, hatten doch nicht sie die wirtschaftliche Schieflage des Unternehmens verursacht.

In den vergangenen zehn Jahren setzten die verschiedensten Manager bei Karstadt Konzepte um, die die Grundvoraussetzungen eines erfolgreichen Warenhauses ignorierten. Heute lässt sich feststellen, dass viele Filialen an den Wünschen der eigenen Stammkundschaft und an den Erwartungen ihres unmittelbaren Umfeldes vorbei geführt wurden. Für die Beschäftigten keine neue Erkenntnis: Immer wieder wiesen sie auf Produkt-Fehlsortimente und Kundenwünsche hin - und wur- den stets ignoriert von der Essener Zentrale.

So war es auch in Billstedt. Selbst Kundenbefragungen, die vor Ort durchgeführt wurden und die spezifischen Erwartungen der Billstedter Kundschaft dokumentierten, wurden nicht zur Kenntnis genommen. Die Folge: Die Beschäftigten bei Karstadt mussten die Managerfehler in den vergangenen Jahren mit einem Einkommensverzicht von fast 700 Millionen Euro erst ausbügeln, um letztendlich wie jetzt in Billstedt und in fünf weiteren Filialen ohne Arbeitsplätze dazustehen.

75 Beschäftigte betroffen

Und es geht noch dreister: Offenbar schon vor Monaten gingen potenzielle Nachmieter durch die Filialen, um die Örtlichkeiten zu vermessen. Den Beschäftigten wurde das noch als Maßnahmen für ein Zukunftskonzept verkauft. Vorbei am Betriebsrat und an den ver.di-Mitgliedern im Aufsichtsrat waren aber längst Fakten geschaffen worden: Karstadt lässt sich die Schließung von Nachmietern bezahlen. Und verhindert, dass die Beschäftigten am alten Standort wenigstens durch einen Betriebsübergang eine Perspektive behalten. Eine Änderung des Paragraphen 613a BGB, der Betriebsübergänge regelt, ist deshalb diesbezüglich dringend nötig.

Es darf nicht sein, dass immer wieder die Beschäftigten diejenigen sind, die bei solchen taktischen Spielchen der Geschäftsleitung erst ihr Geld opfern und dann ihre Zukunftsperspektive verlieren. Solidarität in dieser schwierigen Stunde geht aber einen Schritt weiter. Gerade erst hat die ver.di-Bundestarifkommission beschlossen, für die Kolleginnen und Kollegen in den Häusern, die von den Schließungen betroffen sind, Tarifregelungen zu verhandeln. Diese sollen sowohl eine rückwirkende Tarifbindung erzielen als auch Rahmenbedingungen schaffen, die am Ende allen 75 Kolleg/innen aus Billstedt eine neue berufliche Zukunft ermöglichen.

Ulla Stolle, ver.di-FB-Vorsitzende

Jürgen Gehring, GBR-Mitglied

"Ich habe als Hamburger Vertreter im Gesamtbetriebsrat Karstadt, GBR, an der Mitarbeiterversammlung teilgenommen, auf der die Schließung der Filiale Billstedt bekannt gegeben wurde. Es war schrecklich, die Betroffenheit und Bestürzung unserer Kolleginnen und Kollegen zu sehen. Alle haben der Unternehmensleitung geglaubt, dass auch sie im Rahmen des laufenden Zukunftsprogramms eine Chance haben. Jetzt müssen sie feststellen, dass es bereits einen Nachmieter gibt und die Unternehmensleitung ihnen jede Chance nimmt. Für mich ist eins klar: Die Kultur eines Unternehmens macht sich auch oder gerade daran fest, wie es mit Beschäftigten umgeht, denen sie den Arbeitsplatz wegnimmt. Hier hat Karstadt noch einen langen Weg vor sich", sagt Jürgen Gehring.

Ulla Stolle war als ver.di-Fachbereichsvorsitzende des Hamburger Handels und als GBR-Vertreterin auch bei der Mitarbeiterversammlung: "Es ist für die Beschäftigten ein herber Schlag. Gerade die Kolleginnen und Kollegen haben über Jahrzehnte ihre Filiale mit aufgebaut und immer wieder Ideen vorgetragen, wie eine wirtschaftliche Trendwende aussehen könnte. Trotzdem wurden ihnen immer wieder Rahmenbedingungen übergestülpt, die dem Standort nie eine wirkliche Chance gegeben haben, sich positiv zu entwickeln. Und jetzt nimmt man ihnen auch noch den Arbeitsplatz. Es ist bitter zu sehen, dass es hier in Billstedt überwiegend alleinerziehende Frauen und ältere Beschäftigte trifft".