Eltern, Kinder und Jugendliche profitieren täglich von der Arbeit der mehr als 720.000 Fachkräfte in Kitas und Kinderheimen, in der Behindertenhilfe und den Jugendämtern. Und wie! Fünf Erfahrungsberichte

Protokolle: Claudia von Zglinicki

Erwin, 10 Jahre: "Das beste im Hort ist: Man kann in Ruhe mit seinen Freunden zusammensein"

Susan Görner, 42, Sekretärin in der Mittelsächsischen Kultur gGmbH in Freiberg, Sachsen

Wenn ich nachmittags in die Theodor-Körner-Schule komme, an der mein Sohn Erwin lernt und in den Hort geht, habe ich sofort ein gutes Gefühl. Es ist ruhig und entspannt, kein gewaltiger Lärmpegel. Im Hort sind die Räume als Spielstationen eingerichtet, die Kinder können sich aussuchen, wo und wie sie den Nachmittag verbringen wollen. Es gibt ein Bällebad, sie können experimentieren und basteln und draußen Fußball spielen.

Ich könnte in meinem Beruf nur wenige Stunden pro Tag arbeiten, wenn es den Hort nicht gäbe. Die Arbeit der Erzieherinnen und Erzieher gibt mir Sicherheit. Mein Kind ist gut aufgehoben, nicht nur abgestellt. Der Nachmittag wird gestaltet, nicht nur rumgebracht. Wenn Erwin nach Hause kommt, ist Freizeit angesagt, denn die Hausaufgaben sind fertig, da hat auch noch mal jemand drübergeschaut. Und er war mit anderen Kindern zusammen, er kann sich aber auch zurückziehen, wenn er sich ausgepowert hat. Einmal im Monat werden alle Geburtstagskinder des Monats groß gefeiert, da haben wir Eltern weniger Stress. Der Erzieher fragt vorher: Könnten Sie vielleicht ‘was mitbringen? Klar, kann ich; alle beteiligen sich. Eine männliche Bezugsperson im Hort, das ist auch klasse, gerade für mich als Alleinerziehende. Wenn Erwin mal mittags nach Hause kommen könnte, will er das gar nicht. Er bleibt lieber bis zum Schluss im Hort.


Erwin Görner, 10, Schüler

Stimmt, ich bleibe gern bis halb vier. Dann sind nicht mehr so viele Kinder da, das ist gemütlich. Das Beste im Hort ist: Man kann in Ruhe mit seinen Freunden zusammensein. Man kann Fußball spielen. Die Computer-AG am Montag ist total lustig, das sagen viele. Aber es gibt auch Kabarett, die Kunst-AG, den Chor. Unser Hortner hängt eine Bücherwunschliste aus, da können wir Bücher eintragen, die er dann für uns ausleiht. Wir haben schon ein Theaterstück gespielt, die Erzieher haben uns geholfen, das Bühnenbild zu basteln. Bei der Abschiedsfeier der Viertklässler, die diesmal schon im Januar war, weil unser Hortner für ein halbes Jahr nach Vietnam geht, haben wir im Hort übernachtet. Mit Lagerfeuer auf dem Schulhof! Ohne Hort wäre es einfach nicht so cool.


Domenica Scarpino, 19, Abiturientin, Duisburg

Als ich zu Hause nicht mehr gut mit meinen Eltern klarkam, bin ich zum Jugendamt gegangen und habe mir Hilfe geholt. Das war meine eigene Entscheidung. Ich war dann bis vor kurzem ein Jahr im betreuten Wohnen beim Duisburger Kinderdorf. Meine Ansprechpartnerin dort, Irene, war wirklich für mich da, bei schulischen Schwierigkeiten, bei Problemen mit Ämtern, bei allen Fragen. Wir haben uns regelmäßig getroffen, sie hatte Zeit für mich. Ehrlich: Sie ist mir ans Herz gewachsen. Wenn ich im Sommer das Abi habe, feiern wir das zusammen, das haben wir schon verabredet. Wie es nach dem Abi bei mir weitergeht, da schwanke ich noch. Aber es sieht sehr danach aus, dass ich auf Lehramt studieren werde, um in der Sekundarstufe II zu arbeiten, mit den Älteren. Ich bin politisch sehr interessiert, deshalb kann ich bestimmt gut mit Großen arbeiten. Ich hoffe aber auch, dass meine Schüler mich bereichern werden, nicht nur umgekehrt.

Ich denke, die Leute in den sozialen Berufen werden oft unterschätzt. Viele sagen: Was machen Erzieherinnen schon groß, das bisschen Basteln! Dabei tragen sie enorme Verantwortung. Dass sie um mehr Anerkennung kämpfen, finde ich richtig.


Jacqueline Hausigk, 19, Auszubildende, Duisburg

Ich werde Erzieherin. Später will ich vielleicht noch Sozialpädagogik studieren und selbst in einer Einrichtung der Jugendhilfe arbeiten. Ich habe schließlich erlebt, wie wichtig diese Arbeit ist. Das können sich andere Leute vielleicht gar nicht vorstellen.

Als ich damals vom Jugendamt mit der Polizei zu Hause rausgeholt wurde, war ich fast 15. Es war schlimm. Ich musste weg von meinem Vater und wollte das auch. Ich kam ins Kinderdorf Duisburg, erst in eine Gruppe und dann - wie Domenica - ins betreute Wohnen. In der Gruppe hatte ich eine Bezugserzieherin, beim Wechsel ins betreute Wohnen bekam ich eine Ansprechpartnerin, Kerstin. Zu ihr habe ich eine enge Bindung. Schon im Heim waren mir die Beziehungen besonders wichtig. Dass die Erzieherinnen zugehört haben, dass sie für eine feste Struktur gesorgt haben. Sie waren ein Team, wichtige Regeln galten für alle. Im Moment erleben Domenica und ich auch, wie toll die Nachsorge ist. Wir sind nicht mehr im betreuten Wohnen, aber wenn wir Hilfe brauchen, nehmen sich die Erzieherinnen auch jetzt noch Zeit für uns. Ich mache gerade meinen Führerschein. Wenn ich ihn habe, darf ich als erstes eine Runde mit Kerstins Auto fahren. Das hat sie mir versprochen.


Inka Agel, 33, Verlagskauffrau, Marburg

Ich arbeite in Teilzeit bei der Verwaltung des Landkreises. Mit der Kita "Auf der Weide" haben wir großes Glück: Die Kinder werden dort individuell und aufmerksam betreut. Unsere größere Tochter braucht Zeit für sich und Ruhe, die Jüngere ist die Aktivere, der man auch mal klare Regeln setzen muss. Die Erzieherinnen schauen sich das genau an und richten sich danach, was für jedes einzelne Kind gut ist. Die Eltern werden einbezogen, wenn sie wollen. Da mein Mann und ich keine Familie in Marburg haben, sind wir auf den Kindergarten angewiesen, wenn wir beide arbeiten wollen.

Ich habe durch die Erzieherinnen von der ver.di-Aufwertungskampagne erfahren. Meiner Meinung nach sind sie wirklich unterbezahlt - gemessen an dem, was sie für uns leisten, wie sehr wir sie brauchen. Wenn es zu Warnstreiks kommt, unterstütze ich das. Wir werden dann als Elternbeirat sicher auch Aktionen planen, da gibt es schon ein paar Ideen. Wir werden zeigen, dass wir auf der Seite der Erzieherinnen stehen.