Ausgabe 01/2015
Von Beleidigungen bis zu Drohungen
Reserved ist eine neue polnische Filial-Modekette, die mit aggressiver Preis- und Personalstrategie auf den deutschen Markt drängt und versucht, den bisher bekannten Filialisten Marktanteile abzujagen. Erste Erfahrungen mit der Filiale im neuen Einkaufszentrum Milaneo zeigen: Dieser Arbeitgeber ist für Stuttgart wohl kein Gewinn. Das Unternehmen ist nach Meinung von ver.di nicht reif für den hiesigen Markt.
Dabei hatte der Laden, der mit Mick Jaggers Tochter wirbt, eine große Chance, sich gut einzuführen und durch Fairness aufzufallen. Diese Chance wurde grandios vertan, als die angestrebte Gründung des ersten Betriebsrats im Milaneo verhindert wurde und diejenigen, die eine Betriebsratswahl haben wollten, sofort gekündigt wurden.
In der folgenden Auseinandersetzung hat erstmals die ständige Erreichbarkeit über soziale Netzwerke wie WhatsApp eine große Rolle gespielt. Die übliche Kommunikation zwischen Vorgesetzten und Beschäftigten läuft angesichts der IT-Mängel im neuen Einkaufszentrum über eine geschlossene WhatsApp-Gruppe. Darüber wurde auch zur Wahlversammlung geladen, als der Arbeitgeber die regelgerechte Veröffentlichung nicht sicherstellte. Über dieses Netzwerk steuerten die Vorgesetzten auch Beleidigungen, Ausgrenzung, Bedrohung derjenigen, die die normale gesetzliche Mitbestimmung im Betrieb eingefordert haben. Es gab Anweisung, die Wahlunterlagen zu zerreißen, später Anweisungen, wer zu wählen sei.
Das alles liegt ver.di Stuttgart als Screenshots vor und ist Teil einer Anzeige bei der Staatsanwaltschaft gegen die Firma Reserved. Es besteht der Verdacht, dass zumindest Teile der Wahlversammlung ohne Zustimmung mit dem Handy aufgezeichnet, dann Teile in ein Gerichtsverfahren eingebracht wurden, mit dem das Wahlverfahren über das Arbeitsgericht untersagt werden sollte.
Geheuert und gefeuert
Nach heutigem Informationsstand scheinen Mitarbeiter/innen dazu angehalten worden zu sein, falsche eidesstattliche Versicherungen abzugeben, angebliche Mängel der Wahlvorbereitung zu bezeugen, ganz so, als habe sich hierzulande niemand zur Durchsetzung seiner Interessen an eine Regel zu halten. Nachdem die erste Instanz am Arbeitsgericht sich mit einer einstweiligen Verfügung der Arbeitgeberseite überhaupt nicht beschäftigt hat, hat die zweite Instanz unter Verkürzung der Ladungsfrist auf eine Stunde (!) eingegriffen und den Wahlvorstand als "nicht existenten Wahlvorstand" definiert, obwohl die Betroffenen den Rechtsweg gegen die Kündigungen eingeschlagen haben. Diesem nach Richteransicht nicht existenten Wahlvorstand wurde die Entscheidung zudem noch mit einem Gerichtsvollzieher zugestellt.
Das Einkaufszentrum Milaneo mit seinen rund 220 Läden ist somit bisher weiterhin vollkommen mitbestimmungsfrei, es wird geheuert und gefeuert, es wird nachts und sonntags ohne Genehmigung gearbeitet, es werden kostenlose Überstunden gefordert, Gesundheitsschutz scheint ein Fremdwort zu sein. Nach Meinung der Gewerkschaft ver.di scheint es daher angebracht zu sein, dass jeder Kunde und jede Kundin abwägt, ob ein Einkauf in dieser neuen Shopping-Welt wirklich notwendig ist.
Christina Frank